Sonntag, 31. Januar 2016

Es gibt dich...





Es gibt dich
weil Augen dich wollen,
dich ansehen und sagen
daß es dich gibt.

(Hilde Domin) 
 
 
 
 
 
 
 
 

In der Tiefe....





In der Tiefe eurer Hoffnungen und Wünsche liegt
euer stilles Wissen um das Jenseits;
Und  euer Herz träumt vom Frühling.
Traut den Träumen, denn in ihnen ist das Tor zur
Ewigkeit verborgen.


(Khalil Gibran) 









Foto: Tim Maas









Kalendergedicht, Sonntag, 31. Januar 2016





FREUDENGLAUBE

Antreiben aus des Lebens düstrem Nord
Den Nachen lass an jeden Blumenbord!
Anschwimmen auf des Lebens wirrer Flucht
Den Nachen lass an jeder Freudenbucht!
Anlanden auf des Lebens Wogenpfad
Den Nachen lass an jedes Lichtgestad!

Christian Wagner (1835-1918)








Schneeleicht...




Schneeleicht dieses stille Leuchten, das eine Vorahnung auf kommende Zeiten gibt,
das eine Brücke aus Licht über die grauen Tage hängt.


(Hermann Josef Schmitz)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 

Samstag, 30. Januar 2016

Doch, in den Büchern...




Doch, in den Büchern, da findet sich so mancher Trost.
Aber nichts, das mir Antwort, Heimat und Himmel sein könnte,
so wie du.

(Sami Kuci)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 
 

So geht es nicht




 
SO GEHT ES NICHT
 
Im Vorübergehen fragt
Mein Nachbar, wie es geht.
Er fragt nicht, weil er mitgehen will.
Er fragt, weil er weitergehen will.
Ich antworte, es geht.
Aber es geht nicht.
So nicht.

(Rudolf Bohren)
 
 
 
 
 
 
 
 
 

ein stapel briefe...





ein stapel briefe, lange nicht gelesen, lag tief versteckt
im kleiderschrank. jetzt hält er dich bis in
die morgenstunden wach: wer bist du nur gewesen...

(Nadja Küchenmeister)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 

HALL




HALL

Beiläufig
treffen sich unsere Blicke.
So vertraut
halten sie fest.
Nächtliche Gedanken,
manifestiert am Tag.
Ein Leben vergeben,
mit nur einem Kuss.


(its-irrecoverable)
 
 
 
 
 
 
 
 

ROSEMARIE





ROSEMARIE

Rosemarie sagt
Die Schneeflocken tanzen
Die Wolken singen

Sie sitzt am Panoramafenster des Altenheims
im Rollstuhl mit müden Füßen hingeschleppt
am Handlauf mit schwachen Armen hingezogen

Rosemarie sagt
Die Rosen sterben
Die Blätter erfrieren unter dem Schnee

Sie hat früher Rosensträucher geschnitten
in ihrem Garten auf der Uhlandshöhe
jahrzehntelang

Rosemarie sagt
Die Wolken singen
damit die Schneeflocken tanzen können

Sie freut sich über die sterbenden Rosen
und kichert über die Unwissenheit der Jugend


(schreibland)
 
 
 
 
 
 
 
 

Kalendergedicht, Samstag, 30. Januar 2016





DER WINTERGARTEN

Es geht die Welt in Sprüngen,
Und wer den Takt nicht hält,
Auf seine Nase fällt,
Mag er kurios sich stellen,
Was hilft`s in solchen Fällen,
Zum Zusehn fehlt die Zeit,
Die Welt ist gar zu weit,
Es geht die Welt in Sprüngen!


Achim von Arnim (1781-1831)








Nicht lieben müssen...





Nicht lieben müssen,
es wäre dann ein Leichtes
zu lieben.

(Wolf Wondratschek)










Foto: Tim Maas










Freitag, 29. Januar 2016

Tränen...




TRÄNEN SIND UNPHILOSOPHISCH
DAS VERHÄNGTE MUSS ANGENOMMEN WERDEN ...

(Heiner Müller)
 
 
 
 
 
 
 
 

vor ort





vor ort

die kippen fühlen sich wohl
auf der straße
angemacht und ausgetreten

hinter verblichenen vorhängen
steht die zeit still
ein vertrockneter kaktus im fenster
hält sich an seinen stacheln fest

und eine orchidee knospt
als sei es
das selbstverständlichste
von der welt



(schreibland)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Die Liebe...





Die Liebe ist eine köstliche Blume,
aber man muß den Mut haben,
sie am grausigen Rand eines Abgrunds zu pflücken.

- Henri Stendhal -








Foto: Tim Maas








time warp




time warp

den angefangenen tag
zu ende leben
das ist die regel
ob sie uns behagt oder nicht

manchmal
möchten wir uns umdrehen
den abend
über den morgen stülpen

die zeit strickt weiter
an ihrem netz
wir hängen in den maschen
dazwischen


(schreibland)
 
 
 
 
 
 
 
 

Die Toten...




"Die Toten warten auf der Gegenschräge
Manchmal halten sie eine Hand ins Licht
Als lebten sie. Bis sie sich ganz zurückziehn
In ihr gewohntes Dunkel das uns blendet."

(Heiner Müller)
 
 
 
 
 
 
 
 

finis terrae




finis terrae

schön war
es als es noch
ein ende der welt
gab

wo
willst du
mich jetzt
suchen


(soubresauts)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Kalendergedicht, Freitag, 29. Januar 2016




IM WINTER IM GARTEN

Die Blumen sind verschwunden,
Vom Baume fiel die Frucht,
Das Bächlein schweigt gebunden,
Der Vogel nahm die Flucht.

Manchmal noch rauschend ringet
Ein Blatt mit seinem Fall,
und nächtlich leis erklinget
Manchmal ein Eiskrystall


Justinus Kerner (1768-1862)








Du schönster Schneeweisser...





Du schönster Schneeweisser legst mir deinen Kopf in den Schoß

Schnee fällt uns
mitten ins Herz...

(Sarah Kirsch)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas



 


 
 
 
 
 

Donnerstag, 28. Januar 2016

An manchen Tagen...




 
An manchen Tagen
Wird deine Seele
zu einem grauen Meer,
dein Kompass
ist blind
und deine Hoffnung
schaukelt auf einem
Papierschiffchen
dem Sturm entgegen.

(Tania Konnerth)
 
 
 
 
 
 
 
 

Von so vielem...





Von so vielem blieb uns der Sinn,
gerade von dem Sanften und Zarten
haben wir irgendein Wissen:
wie von einem geheimen Garten,
wie von einem samtenen Kissen,
das sich uns unter den Schlummer schiebt,
wie von etwas, das uns liebt
mit einer verwirrenden Zärtlichkeit, -
aber viele Worte sind weit.

(Rainer Maria Rilke)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 

Unsere...






Unsere wahre Heimat
ist der gegenwärtige Augenblick.

- Thich Nhat Hanh -
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Ich kann...




Ich kann dir die Welt nicht zu Füßen legen
Sie gehört mir nicht.
Ich werde dir keinen Stern pflücken:
Ich habe kein Geld für Blumen und keine Zeit
Verse zu machen nur für dich: Mein Leben
wird so und so zu knapp sein für ein ganzes.
Wenn ich dir sage: für dich werd ich alles tun
werde ich dir eine Lüge sagen. (Du weisst es)
Ich liebe dich mit meiner ganzen Liebe.

(Heiner Müller)
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Kalendergedicht, Donnerstag, 28. Januar 2016





WINTER

Der Triefbart zackt vereist vom Regenrohr.
Nordost steift wölfisch das gespitzte Ohr.

Ein Stern friert bläulich an, von Dunst umdickt.
Der Neuschnee klingelt glasbehängt und tickt.

Und Krähen schwimmen in den Acker schwer,
Der starre Wellen schlägt, ein schweigend Meer.


Gertrud Kolmar (1894-1943)








Unwiederholbare Augenblicke...





Unwiederholbare Augenblicke
Verschwundene Hoffnung
Verlorene Jahre
Wilde Rosen.
Regen.
Der Traum hat
geweint.


(seep2006)








Foto: Tim Maas










Mittwoch, 27. Januar 2016

„Ein herz sich erfinden...





„Ein herz sich erfinden
das an der ferne hängt
diesen muskel
im eigenen dunkel zum
kompass ernennen“

(Esther Kinsky)
 
 
 
 
 
 
 
 

Trennen ist ein Sterben





TRENNEN IST EIN STERBEN

Wie der Tag sich windet
Und kein Ende findet!
Die Minuten stehen,
Müssen rückwärts sehen.

Seit der Morgenstunde,
Die mit starrem Munde
Dich zum Abschied weckte,
Sich nur Öde streckte.

Fühl' die Haut erkalten
Und die Stirn sich falten,
Muß ins Leere schauen
Und dem Tag mißtrauen.

Trennen ist ein Sterben,
Schlägt die Welt in Scherben.


(Max Dauthendey)
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Mit dem Schnee...





Mit dem Schnee
will ich trauern.
Schmelzen wird er
und deine Schritte
vergessen.
Hier
bist du gegangen...


(Peter Härtling)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas

 


 
 
 
 
 
 
 

In deinen Augen





IN DEINEN AUGEN

Blau wird es in deinen Augen
Aber warum zittert all mein Herz
Vor deinen Himmeln.
Nebel liegt auf meiner Wange
Und mein Herz beugt sich zum Untergange.


(Else Lasker-Schüler)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Selbst wenn...





Selbst wenn ich dich nur sachte streife, nehme ich dein ganzes Wesen in mich auf.
Ich kann dich nicht berühren, ohne an mein Herz zu stoßen.


(Sami Kuci)
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Kalendergedicht, Mittwoch, 27. Januar 2016





EISNACHT

Wie in Seide ein Königskind
schläft die Erde in lauter Schnee,
blauer Mondscheinzauber spinnt
schimmernd über der See.

Aus den Wassern der Raureif steigt,
Büsche und Bäume atmen kaum:
durch die Nacht, die erschauernd schweigt,
schreitet ein glitzernder Traum.


Clara Müller-Jahnke (1860-1905)








Warte nicht...




 
Warte nicht
schau dich nicht um
fang an
schreib deine Schrift
in den Schnee

(Annemarie Schnitt)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 

Dienstag, 26. Januar 2016

Manchmal...




Manchmal trägt uns der Anfang eine lange Zeit.

(Hermann Josef Schmitz)








Alles...




Alles schmerzt sich einmal durch
bis auf den eigenen Grund
und die Angst vergeht

(Jan Skácel)
 
 
 
 
 
 
 
 

Ich ...





Ich muss dich immer ansehn. 
In deinem Lächeln ruh ich wie in spielenden Booten.
Deine kleinen Geschichten sind aus Seide.

(Alfred Lichtenstein 1889-1914)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas









... Aber der Schnee...




...

Aber der Schnee hat leis
und wunderbar
geblinkt auf den Tannenbäumen.
Was wohl jetzt die Schmetterlinge träumen?

(Wolfgang Borchert)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 
 

...und die Welt...


 
. . .

und die Welt hält den Atem
an in Erwartung des
Unerwarteten

Doch das Unerwartete
das erwartet wird
ist nicht das
Unerwartete

(Eveline Hasler)









Kalendergedicht, Dienstag, 26. Januar 2016





Laub und Blumen, Lust und Lieder
Bringt der Frühling immer wieder.
Hast du Winter auch entrissen
Laub und Blumen, Lust und Lieder
Ist im Schmerz es Trost zu wissen:
Freuden würzt ein kurzes Missen.
Laub und Blumen, Lust und Lieder
Bringt der Frühling immer wieder.

Edward Dorer-Egloff (1807-1864)








Es wird...





Es wird leer in dir,
wenn du dir selber abtrünnig wirst.

(Antoine de Saint-Exupéry)








Tiefe Einsamkeit...





Tiefe Einsamkeit
Im Elfenbeinturm schläft
der Traum vom Leben

So wuchs Patina um dich
grünt hinter deinem Lächeln


(Dandelions Awaken)









Foto: Tim Maas








Montag, 25. Januar 2016

Wieviel Dunkelheit...





Wieviel Dunkelheit könnte kommen
stünde die Lampe nicht im offenen Fenster.

Wieviel Sprachlosigkeit könnte kommen
riefe ich nicht, wenn das Fenster geschlossen,
die Lampe gelöscht ist.

Wieviel Verzweiflung könnte kommen
in einer einzigen Dunkelheit.


(Christoph Meckel)
 
 
 
 
 
 
 
 

Es ist ...





Es ist das große Traurige,
daß eine Seele stets allein ist.

(Jens Peter Jacobsen)









Foto: Tim Maas








Ich fühle...




Ich fühle tief im Herzen schon seit Jahren
Zu Euch der Liebe mächtiges Begehren,
(So schicklich doch und nur mit allen Ehren)
Wie nie ein Herz es durfte so erfahren.
Doch jetzt ist solcher Trost mir widerfahren ;
Obwohl ich meiner Neigung sicher bin,
Zeigt Euch klar mir Euren reinen Sinn,
Daß das Gefühl, worauf mein Herze schwört,
Mich drängen will zu solchem Zweifel hin :
Ob diese Liebe Euch, ob mir gehört.

(Marguerite de Navarre)








scheue worte...





scheue worte
du kannst sie spüren
in meinen küssen

hinter meinen blicken, unter
jeder berührung

du kannst sie finden
zwischen den zeilen

in meinen versen, durch
jeden federstrich

ich schweige sie dir
unter dein schlüsselbein
.


(thepoemist)








Kalendergedicht, Montag, 25. Januar 2016





FREIHEIT

Schmücket euch nicht mit Violen,
Rosen oder grünem Strauß!
Denn man legt sie zu Symbolen
Euerer Gesinnung aus.

Habt ihr sie nicht abgebrochen
Draußen aus der freien Flur?
Allem sei der Stab gebrochen,
Was nach Freiheit riechet nur!


Friedrich Rückert (1788-1866)








morgens





morgens

aus den häusern
kalt und dünn
der rauch

halbe monde

der weiche schmerz
von kiefernnadeln

es ist
das flüchtige
das dich
hält


(caeliriva)







 
 
 
Foto: Tim Maas
 







Sonntag, 24. Januar 2016

Ich weiß nicht...





Ich weiß nicht mehr
weiter...
... ich grabe
ein Flüstern
aus mir heraus...
was leise ist, weiß
mehr.


(Sami Kuci)
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Unermüdlich...





Unermüdlich schneit es den ganzen Tag,
als hätten rowdys
mit bierflaschen
am himmel einen schwan erschlagen,
und die traurigen federn fielen herab.

So sehr fürchte ich die stille hin zur stummheit,
die last auf den bäumen und die ewigkeit,
die im menschen verhallte.
Und ich schäme mich nicht im geringsten
meiner beklommenheit, gott, du weißt es.

Still fällts auf mich, wortlos,
wie vergebliche reue,
wenigstens derer sind wir fähig,
und wir warten auf ein gütiges wort,
während draußen, vor dem fenster, schnee fällt.

Und immer mehr und schlimmer.

(Jan Skácel)








 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 









Was soll ich dir für Namen geben?





Was soll ich dir für Namen geben?
Mein trautes Herz! mein einz'ges Leben!
Mein Sonnenblick! mein Seelenstrahl!
Mein Hoffen, Sehnen und Verlangen!
Mein Wünschen, Glauben, Zweifeln, Bangen!
O meine süße Liebesqual!

Ich nenne dich mit allen Namen,
Die je von Liebeslippen kamen,
Ich grüße dich mit jedem Laut,
Den du mir je geküßt vom Munde,
Ich nenne dich im Herzengrunde,
Lieb, ewig teuer, Schwester, Braut!


(Friedrich Rückert)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Die Erinnerungen sehen mich





(...)

Ich muß ins Grüne hinaus, es ist übervoll
von Erinnerungen, und sie folgen mir mit dem Blick.

Zu sehen sind sie nicht, sie verschmelzen
mit dem Hintergrund, perfekte Chamäleons.

Sie sind so nah, daß ich sie atmen höre,
obwohl der Vogelgesang betäubend ist.

(Tomas Tranströmer)
 
 
 
 
 
 
 
 

Kalendergedicht, Sonntag, 24. Januar 2016





SCHNEENACHT

Eine weiße Toteninsel,
Schläft der Wald im Mondesglänzen,
Bleiche Silberströme fliessen
Still ihm zu mit Lilienkränzen.

Starr wie Harfen stehn die Bäume
An des Wiesengrunds Geländen,
In die braungestrafften Saiten
Greift der Wind mit Geisterhänden.


Maria Stona (1861-1944)








Angst




 
Angst

Die Amsel macht mich traurig,
Die Kirschen wollen blühn.
Ich fürchte, du könntest mir sterben
Und alles würde doch grün.

(Eva Strittmatter)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Samstag, 23. Januar 2016

Kalendergedicht, Samstag, 23. Januar 2016





JÄGERLIED

Zierlich ist des Vogels Tritt im Schnee,
wenn er wandelt auf des Berges Höh':
Zierlicher schreibt Liebchens liebe Hand,
schreibt ein Brieflein mir in ferne Land'.

In die Lüfte hoch der Reiher steigt,
dahin weder Pfeil noch Kugel fleugt:
Tausendmal so hoch und so geschwind
die Gedanken treuer Liebe sind.


Eduard Mörike (1804-1875)








twitter #BuchSatzPhoto #2016Satz2 "In seiner Verwirrung wäre er fast gegen einen Poller gefahren."





 
...ja der Geist erfindet Listen

führt dich irre
trickst und lügt...









Foto: Tim Maas










Freitag, 22. Januar 2016

Ich fühle...




Ich fühle, wie das unruhige
Wasser deines Herzens steigt.

Ich bitte dich um nichts.

Lasse mich
ertrinken.
Rette das Bild.


- Hilde Domin - 
 
 
 
 
 
 
 
 

ich leb allein...





ich leb allein
im flug
über die welt

immer zu fern
nah dran
nur mein blick

mein herz wird alt
doch bleibt
so unerfahren


© 2015 — Freitag ist Rosa







AUSGUCK (PELARGONIUM X HORTORUM)





AUSGUCK (PELARGONIUM X HORTORUM)


Sie schauen,
wer kommt und wer geht,
oder schauen ins Graue.

Sie lauschen
auf schrille Töne spielender Kinder
oder sie lauschen der Stille.

Sie lehnen sich
bewegungslos und geduldig
auf die Brüstungen ihrer Balkone.

Kein Wind
will es wagen, den rosa-weißen Stoff
ihrer Kittelschürzen zu kräuseln.

Und wird es dann
dunkel am Abend, so wissen sie,
vom Leben zu sagen, und werden doch
schweigen.

© Jost Renner
 
 
 
 
 
 
 
 

Ich wollte...




Ich wollte dir schreiben
dass du mir fehlst
aber meine linke Hand schläft schon
und meine rechte Hand
hat zuviel Wein getrunken

was soll ich da tun

morgen in aller Frühe
will ich Worte für dich sammeln
Kieselworte
die es aufnehmen können
mit jedem Opal


(Werner Lutz)








Kalendergedicht, Freitag, 22. Januar 2016





Aus den Himmelsaugen droben
Fallen zitternd goldne Funken
Durch die Nacht, und meine Seele
Dehnt sich liebeweit und weiter.

O, ihr Himmelsaugen droben!
Weint euch aus in meine Seele,
Daß von lichten Sternentränen
Überfließet meine Seele.

Heinrich Heine (1797-1856)








... Und deine Augen...




...

Und deine Augen, lebenstot und vag,
betrachten mich mit kaltem, stumpfen Blitzen
und fragen mich: was soll dein Hoffen, sag'! ...

(Christian Morgenstern)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 

Donnerstag, 21. Januar 2016

Zwischen Herz und Seele...




Zwischen Herz und Seele hast Du ein Fährtenbuch 
für geheime Orte und Plätze angelegt.

(Hermann Josef Schmitz)








Wir reden...




Wir reden
wenn wir schweigen sollten
wir schweigen
wenn wir reden sollten
und spüren
unsere Hilflosigkeit

(Anne Steinwart) 
 
 
 
 
 
 
 
 

In der...





In der vollkommenen Stille
hört man die ganze Welt.

- Kurt Tucholsky -
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Älter werden





ÄLTER WERDEN


zögern mitten im satz

nachfragen wenn man glaubt
es verstanden zu haben

es nicht mehr eilig haben
mit dem wissenwollen

einen stein ein glas eine hand
länger festhalten als nötig

den ärmel des gegenüber beim reden berühren
zu spüren man ist noch da

ein buch einen blick eine haut verlieren
und nicht mehr finden wollen

erinnern statt sehnen

den gedanken: das alles ist nach mir noch da
trainieren wie einen muskel

gefühl als wäre jemand im zimmer



(Ulla Hahn)
 
 
 
 
 
 
 
 
 

In einer heillosen Verwirrung...





In einer heillosen Verwirrung ist das Grün der Bäume Teil meines Blutes.
Das Leben pocht in meinem fernen Herzen.
Ich war nicht für die Wirklichkeit bestimmt,  
doch das Leben kam und fand mich.

(Fernando Pessoa)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas