Es färbte sich die Wiese grün
Und um die Hecken sah ich blühn,
Tagtäglich sah ich neue Kräuter,
Mild war die Luft, der Himmel heiter.
Ich wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.
Novalis (1772-1801)
Gesammelte Lyrik
Es färbte sich die Wiese grün
Und um die Hecken sah ich blühn,
Tagtäglich sah ich neue Kräuter,
Mild war die Luft, der Himmel heiter.
Ich wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.
Novalis (1772-1801)
Der Tanz auf der Wolke
Als ich zu meiner Yadeflöte sang,
War es den Menschen wie ein dunkles Haus.
Sie höhnten furchtsam meine Lieder aus.
Da hob die Flöte ich zu den Unsterblichen.
Die Götter tanzten hell auf sanft erglühter Wolke.
Die Menschen, die die Tänzer sahen, wichen beglückt.
Und Jubel wuchs wie Sterngesträuch im Volke,
Als ich zu meiner Yadeflöte sang.
Klabund (1890-1928)
Frühlingssonne
Und lässt die Sonne ihre Strahlen spielen,
Dann singt die Sehnsucht ihre Frühlingsweise,
Und Wunsch um Wunsch erblühen sacht und leise
Zu traumerwählten, sanftbemess`nen Zielen.
Den Schmerz, der jäh in raschen Pulsen bebte,
Hält Strahl um Strahl in wundersamen Schranken,
Und all das Zarte, Stille, Ungelebte
Wird wach und reift zum sonnigen Gedanken.
Leo Grünstein (1876-1943)
Spitzköpfig kommt er über die Dächer hoch
Und schleppt seine gelben Haare nach,
Der Zauberer, der still in die Himmelszimmer steigt
In vieler Gestirne gewundenem Blumenpfad.
Alle Tiere unten im Wald und Gestrüpp
Liegen mit Häuptern sauber gekämmt,
Singend den Mond-Choral. Aber die Kinder
Knien in den Bettchen in weißem Hemd.
Meiner Seele unendliche See
Ebbet langsam in sanfter Flut.
Ganz grün bin ich innen. Ich schwinde hinaus
Wie ein gläserner Luftballon.
Georg Heym (1887-1912)
Comer See
Im Mandelbaum leuchtet der Mond,
und seidig glänzt der See ...
Schwarz ragen die Zypressen
der Opfergangallee.
Die Reifenbarke schaukelt
zum tauigen Inselhain.
In Ufergartenblüten
sticht sich der Schwärmer ein.
Die Ringellocken der Lichter
verschaukeln um den See...
Still rauchen die Altäre
der Opfergangallee...
Leo Sternberg (1876-1937)
An deiner Brust
An deiner Brust ist meine Stelle,
In deinen Armen mein Asyl!
Mich warf des Sturm's empörte Welle
An dieses bang ersehnte Ziel.
Die Gaben, die das Leben zieren,
Jedwedes Gut, das köstlich heißt,
Was ich besaß, mußt' ich verlieren,
Daß du fortan mir Alles sei'st.
Jetzt, da ich Alles hingegeben,
Wird mir's durch dich zurückgeschenkt,
Wenn unter wonnevollem Beben
Dein Mund auf meine Stirn' sich senkt.
Betty Paoli (1814-1894)
Der Abend
Die Wolken waren fortgezogen,
Die Sonne strahlt' im Untergang,
Und am Gebirg der Regenbogen,
Als ich von meinem Lager sprang.
Da griff ich nach dem Wanderstabe,
Sprach meinem Wirt ein herzlich Wort
Für Ruhestatt und milde Labe,
Und zog in stiller Dämmerung fort.
Nikolaus Lenau (1802-1850)
Kasperle-Verse
Ich komme und gehe wieder,
Ich, der Matrose Ringelnatz.
Die Wellen des Meeres auf und nieder
Tragen mich und meine Lieder
Von Hafenplatz zu Hafenplatz.
Ihr kennt meine lange Nase,
Mein vom Sturm zerknittertes Gesicht.
Dass ich so gern spasse
Nach der harten Arbeit draussen,
Versteht ihr das?
Oder nicht ?
Joachim Ringelnatz (1883-1934)
Blaue Hyazinthenblüten
Zittern leis im warmen Frühlingsduft.
Wetterschwere fahle Wolken
Schwimmen träg in weisslich blauer Luft.
Müde spielt die Frühlingssonne
In dem grünenden Geäst,
Nur die Amsel trägt geschäftig
Reiser ins verborgne Nest.
Langsam schleichen mir die Stunden,
Leer stirbt mir der Tag dahin, -
Ruhe glaubte ich gefunden,
Da ich fern von Dir jetzt bin! -
Heinrich Vogeler (1872-1942)
Der Regenbogen
Schönes Kind der Sonne,
Holder Regenbogen,
Ueber schwarzen Wolken
Mir ein Bild der Hoffnung.
Tausend muntre Farben
Bricht der Stral der Sonne
In verhüllten Thränen
Ueber grauer Dämmrung.
Johann Gottfried Herder (1744-1803)
Philosophisches Barometer
Ein Barometer hängt in meines Freundes Zimmer,
das geht nicht, sondern steht auf gutem Wetter immer.
Ein solches Wetterglas ziemt philosophischem Sinnen:
Was draußen wechselnd schwankt, sei stete Ruhe drinnen.
Friedrich Rückert (1788-1866)
Damals
Saßen wir beide Hand in Hand
Glücklich in Liebe und Wonne;
's war nur ein armer Grabenrand,
Aber bestrahlt von der Sonne!
's war nur Ginster und Heidekraut,
Drin sich die Käfer verirrten;
Aber mit jubelndem Liebeslaut
Lerchen zum Himmel aufschwirrten.
's waren nur Stunden glücklich und klein,
Da wir uns heimlich getroffen;
Aber wir beide waren allein,
Und der Himmel stand offen!
Hans Eschelbach (1868-1948)
Der Bote
Am Himmelsgrund schießen
So lustig die Stern,
Dein Schatz läßt dich grüßen
Aus weiter, weiter Fern!
Hat eine Zither gehangen
An der Tür unbeacht′,
Der Wind ist gegangen
Durch die Saiten bei Nacht.
Schwang sich auf dann vom Gitter
Über die Berge, übern Wald -
Mein Herz ist die Zither,
Gibt ein′n fröhlichen Schall.
Joseph von Eichendorff (1788-1857)
April
Das ist die Drossel, die da schlägt,
Der Frühling, der mein Herz bewegt;
Ich fühle, die sich hold bezeigen,
Die Geister aus der Erde steigen.
Das Leben fließet wie ein Traum -
Mir ist wie Blume, Blatt und Baum.
Theodor Storm (1817-1888)
Auf einen Baum in dem Wäldchen bei Sesenheim
Dem Himmel wachs entgegen
Der Baum, der Erde Stolz.
Ihr Wetter, Stürm und Regen,
Verschont das heilge Holz!
Und soll ein Name verderben,
So nehmt die obern in Acht!
Es mag der Dichter sterben,
Der diesen Reim gemacht.
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
Morgenfroh
Nun brennt der alte Fichtenwald
Im frühen Tag rubinenrot;
Das Korn, das hoch im Winde wallt,
Ist ganz von lichtem Mohn durchloht.
O Morgen! junge Majestät,
Du wanderst über Demantgras;
Und wie in hellen Bechern steht
In Anemonen Tauesnaß.
Alberta von Puttkamer (1849-1923)
Die Stille
o stille Nacht! Dein heilig Schweigen,
Der Bäume stilles Wipfelneigen.
Geheimnisvolles Wonnerauschen,
O könn`t ich ewig dich belauschen!-
Und hoch ob mir der stille Himmel,
der gold`nen Sterne licht Gewimmel,
Nur einsam läutet noch ein Weilchen,
Geheimnisvoll ein blaues Veilchen.
Hermann Eris Busse (1891-1947)
Ostara
3.
Komm du, wir wollen traulich schreiten
wie selige Kinder, Hand in Hand,
durch blütenschwangre Frühlingsweiten,
durch warmbesonnten Meeressand.
Die Luft erklingt, die Wipfel lauschen,
die Sonne grüßt uns trunknen Blicks, -
und über unsere Seelen rauschen
die Wogen des Ostaraglücks.
Das ist ein Wachsen und ein Werden,
wir wandeln wie voll süßen Weins:
Eins sind wir mit der Kraft der Erden,
und mit dem Himmel sind wir eins.
Wie rings die Ferne sich entschleiert
in Glut und Glanz und Windeswehn,
so - Aug in Auge! - leuchtend feiert
die Gottheit in uns Auferstehn!
Klara Müller-Jahnke (1860-1905)
Unsre Wiesen grünen wieder,
Blumen duften überall;
laut ertönen Finkenlieder,
lieblich schlägt die Nachtigall.
Hell wie Gold und Purpur strahlet
lichter Maienwölkchen Schaum,
und der holde Frühling malet
weiß und roten Apfelbaum.
Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1762-1834)
Wie ein Rausch …
Wie ein Rausch ist deine Liebe,
Deine Küsse wie der Wein -
Trank ich mich an deinen Lippen
Selig satt, so schlaf ich ein.
Und dein Arm ist meine Wiege,
Heimlich singst du mir ein Lied,
Daß ein Glanz von Glück und Liebe
Noch durch meine Träume zieht.
Anna Ritter (1865-1921)