Winter
Der Triefbart zackt vereist vom Regenrohr.
Nordost steift wölfisch das gespitzte Ohr.
Ein Stern friert bläulich an, von Dunst umdickt.
Der Neuschnee klingelt glasbehängt und tickt.
Und Krähen schwimmen in den Acker schwer,
Der starre Wellen schlägt, ein schweigend Meer.
Ich steh' am Uferwege, welk und klein,
Und senkte gern der Schäumeflut mich ein,
Die Fischernetze toter Amseln schleppt,
In steinern grünlich dunklen Abend ebbt.
Leicht splittert von der Wunde meiner Brust,
Dem schwarzen Kreis, ein Vogel ab: Gekrust.
Der Schneeglanz spült ihn hin: verdorrter Klang,
Der Regenbogen über Wälder sang.
Ich blieb. Durch meine Lider stichelt Reif.
Und hinterm Auge, weit, zerfließt ein Streif
In Grau und Rosa. Blaß verwischter Steig.
Ein Silberkelch, aprilner Pfirsichzweig,
Der leise, dichte Bienensüße weht.
Die Woge atmet in ein Scillabeet
Den stummen Fittich aus: er dehnt sich matt...
Kalt bleicht die Mondstirn, die kein Antlitz hat.
Gertrud Kolmar (1894-1943)