TOTE STADT
Über verwaiste, graue Straßen kriecht das Grauen
langsam und schleimig und voll fetter Gier.
Bald drängt es den dicken Schädel durch eine zertretene Tür,
glotzt die toten Wände an, nagt an den verkohlten Schwellen,
tastet mit nassen Fingern über den Leib der Leichen
und leckt das zerrinnende Blut.
Bald streckt es die schwarzen Arme durch zerschlagene Fenster
und klopft die letzten Scherben aus den Rahmen
daß sie gellend am Stein zerspringen.
Bald reibt es sich gähnend an den Häuserecken
und stürzt die letzten Pfeiler krachend um
und grinst vor Wollust.
Und manchmal lacht es. Und dann bebt die Stadt.
Edlef Köppen (1893-1939)