ADE!
Bereitet liegt der Wanderstab,
Das Bündel ist geschnürt,
und, was von Herzen lieb ich hab‘,
Wird alles mitgeführt.
Mein Weib, mein Kind, mein Mütterlein,
Ihr bleibt in meiner Näh,
So zieh ich froh ins Land hinein,
Zum grünen Strand der Spree.
Ich hab‘ in dir, du altes Haus,
Genossen Leid und Glück,
Du bot’st mir manchen Freudenstrauß,
Allgütiges Geschick.
Doch nun mit wanderlust’gem Fuß
Ich in die Fremde geh,
Ich fühle deinen Abschiedkuss,
Geliebtes Haus, ade!
Du knospender Kastanienbaum
Schaust mich so traurig an,
Ich seh‘ an deiner Wimper Saum
Die hellen Tropfen dran.
Du hielt’st getreulich bei uns Wacht
In Blütenduft und Schnee,
Hast Hoffnung mir ins Herz gelacht,
Geliebter Baum, ade!
Nicht werd‘ ich mehr, du lieber Wald,
In deinen Schatten ruhn,
In süßer Träume Allgewalt
Die schöne Zeit vertun;
Doch hör‘, mein treuer Kamerad,
Hör‘ zu, du braunes Reh:
Gesegnet sei ein jeder Pfad,
Geliebter Wald, ade!
Zu dir, du bestes Vaterherz,
Zu deinem Hügel fromm,
Den Blick gerichtet himmelwärts,
Ich Abschied nehmen komm‘.
Die Lippe zuckt, die Träne rinnt
Hernieder leis‘ im Weh,
Mir ist’s als segnest du dein Kind –
Geliebtes Grab, ade!
So fahrt denn wohl, noch eine Hand,
Ihr Freunde allzumal,
Fest schling sich unser Liebesband
Hin über Berg und Tal.
Fahrt wohl, fahrt wohl, die Ferne winkt
Gleich einer holden Fee,
Gott weiß, was uns ihr Lächeln bringt
Am grünen Strand der Spree.
Johanna Ambrosius (1854-1939)