Montag, 30. November 2020

SONETT 5

 

 


SONETT 5


Die Stunden, die vollführt mit zarter Kunst,
Das Werk, worauf jetzt alle staunend blicken,
Sie rauben einst ihm feindlich ihre Gunst,
Dann werden sie das schöne Werk entschmücken.

Nie ruh'nde Zeit, sie führt den Sommer wieder
Zum bösen Winter, und zerstört ihn da,
Frost hemmt den Saft, das muntre Laub sinkt nieder
Schnee deckt die Flur, Kahlheit ist fern und nah.

Doch bliebe nicht der Sommer fest gebunden,
Ein flüß'ger Gast in den chrystallnen Mauern,
Der Schönheit Wirkung wäre mit verschwunden.
Nicht sie, nicht die Erinnerung könnte dauern.

Ob Winter auch die zarte Blume bricht,
Stirbt nur ihr Schein, ihr holdes Wesen nicht.


- William Shakespeare -
 

 

 

 

 

Foto: Tim Maas