Freitag, 14. August 2020

DU SCHLÄFST

 



DU SCHLÄFST


Von Sommerhauch umsponnen schliefst du ein,
Und schläfst und schläfst – so fest, so tief, so lange!
Ich aber säume still und harre dein –
Nach deinem offnen Auge ist mir bange!

Verstummen lagert auf dem Garten rings,
Zuweilen flüstern nur die Reben-Ranken
Zum leisen Fluge eines Schmetterlings –
Und du bist fern mit Sinnen und Gedanken!

Ich bin mit dir und doch in Einsamkeit.
Verschweigst du mir ein Weh zu dieser Stunde?
Wie unerträglich schleicht dahin die Zeit –
Wie lechz' ich schon nach deinem wachen Munde!

Mir ist, als säh' ich eine fremde Welt
Sich schattenhaft um deine Wimpern legen,
Bist du noch mein? – Ein Zittern mich befällt,
Ob böse Träume nicht dein Herz bewegen!

O könnt' ich doch gebieten deinem Traum,
Daß er durch keine Sorge dich erschrecke!
Mir ist, als rührte dich mit dunklem Saum
Des Todes Schleier, wenn ich dich nicht wecke. –


Emil Claar (1842-1930)