Donnerstag, 9. Juli 2020

Kalendergedicht, Donnerstag 9.Juli 2020




 
AUF BLAUEN WELLEN...

Auf blauen Wellen ängstigt sich das Leben.
Milliarden Sonnenherzen zündeln auf und beben.
Sie sterben, um sich leuchtend zu entschweben:
Die Sonne hat uns Schönheit vor uns selbst gegeben!

Wer weiß, die goldne Schrift auf blauem Grund zu lesen?
Der Strahl beseelt die Windeseinfälle zu echten Wesen,
Die zwischen Sonnenhochgebot und Seenot stets gewesen:
Du sollst die heitersten in dir erlesen!

Es schwirren Riesenbienen ihre Sonnenpflichten.
Der Wind zerzittert sie zu himmlischen Gedichten.
Mir will ein Lied von süßem Kindessinn berichten
Und spricht von unsern ersten Tiergeschichten.

Die Sonnenblitze zischen in die stillen Tiefen,
In denen einst die stummen Grausamkeiten schliefen,
Bevor die Meere sich auf Schöpfungswitterung beriefen:
Nun wissen wir, daß Sonnenzeichen niedertriefen!


Theodor Däubler (1876-1934)