DAS STUMME EHEPAAR
Die Kirche hat zusammen uns gegeben,
In Eintracht hin fließt unser Eheleben,
Durch Freud' und Schmerz mit gleichem Schritt wir eilen,
Und Seit' an Seite Tag und Nacht nur weilen.
Doch keinen Ton wir je der Brust entheben,
Kein Wort bezeichnet unser innres Streben;
Wie in Palästen stehn gekuppelt Säulen,
So stumm wir alles, nur nicht Rede, theilen.
Der Menschen Sprache ist aus uns verschwunden,
In ewgem Schweigen ist die Brust gebunden;
Doch noch im Silberhaar mit stillen Blicken
Wir wechseln unsrer Liebe Wonnentzücken,
Wenn unsre starren Zungen nie auch sprechen:
Nichts kann der Herzen heilge Treue brechen.
Wilhelm von Humboldt (1767-1835)