Uninteressante Menschen gibt es nicht.
Jeder hat seine Geschichte, sein Gesicht,
das nur ihm gehört. Ein jeder ein Planet:
So reich, und keiner, der ihm gleicht. Versteht:
Auch wenn einer unauffällig lebt,
der nichts als Unauffälligkeit erstrebt,
ist er unter allen andern dann
durch seine Unauffälligkeit interessant.
Jeder hat seine geheime Welt,
von einem schönsten Augenblick erhellt,
von einem schrecklichsten Tag versehrt:
und allen andern ist sie ganz verwehrt.
Und wenn ein Mensch stirbt, stirbt mit ihm
sein erster Schnee aus jener grauen Früh,
sein erster Kuss nachts und sein erster Zorn:
und all das nimmt er mit sich fort.
Bücher bleiben uns und Brücken, Kram
und Maschinen, Leinwände, gut gerahmt
Geschmeide und Gelumpe – vieles bleibt:
und alles andre zerfällt mit seinem Leib.
Das ist das Gesetz dieses rohen Laufs,
nicht Menschen sterben: Welten hören auf.
Wir weinen ihnen eine Träne nach
und erkannten sie nicht am hellen Tag.
Was wissen wir vom Bruder und vom Freund,
von ihr, die nah uns ist und ferne träumt!
Vom eignen Vater, Gesicht gegen Gesicht,
wissen wir, alles wissend, nichts.
Die Menschen gehen fort… Dann sind sie fort.
Ihre Welten sind ein toter leerer Ort.
Und jedesmal, und denk ich dein,
möchte ich über dieses Ende schrein.
Jewgeni Jewtuschenko (1932-2017)