Montag, 23. April 2018

Kalendergedicht, Montag 23.April 2018




HOHE GEMEINSCHAFT


Nimmer, nimmer vergiß, wenn leicht
Du in vielen Gelächtern weilst,
Wie doch jedes Leben zuletzt
Weh wird, und mühsam ein jeder stirbt.

Mehr als Gemeinschaft von Worten und Werk
Bindet uns alle der brechende Blick,
Bindet uns alle das letzte Bett,
Und die Not, und die Not, wenn das Herz ausgeht.

Beugst du dich tief vor des Mächtigen Schritt,
Bebst du dahin vor der süßen Gestalt,
Spähst du dem Feind ins eiserne Aug,
Kniest du vor unerreichbarem Bild,

Ahne du, ahne doch schwindenden Blick,
Schrecklichen Atem und trockenen Mund,
Die Hand, die sich krampft, und das letzte Allein,
Und die Stirn, wie sie feucht wird von Elend und Schweiß.

Und daß dir gebührt, was Allen gebührt,
Und du verwandt bist zum endlichen Tag!
Du bist nicht verkürzt um den Adel des Leids.
Und schon weil du bist, bist du gleich. So sei stolz!

Nimmer vergiß, und fühle, wie groß
Zärtlichkeit, Güte, dein Antlitz ertränkt.
Zartsein ist Weisheit und Milde ist Sinn.
Stets deinem Mund ist ein Zauber vergönnt.



Franz Werfel (1890-1945)