Mittwoch, 5. Oktober 2016

Kalendergedicht, Mittwoch 5. Oktober 2016





HERBSTLICHES STERBEN


Der Wind wühlt in der Wälder goldnem Vließ
sie mitzureißen in sein wildes Schweifen;
es fallen aus dem Laub die überreifen,
die letzten Früchte, die das Glück uns ließ.

Herbstsonne gibt der Welt den Abschiedskuß,
noch einmal sich die Zärtlichen umfassen.
Dann sind die Lauben öde und verlassen,
kein Lampion mehr schaukelt auf dem Fluß

Es fand das All sich eine Höhle, Nacht,
um ungesehn sein Sterben zu vollbringen;
schon hält der Engel mit den schwarzen Schwingen
am Weg ins Winterliche schweigend Wacht.



Max Herrmann-Neisse (1886-1941)






Foto: Tim Maas