Mittwoch, 31. August 2016

"Es riecht bereits nach welken Blättern....




"Es riecht bereits nach welken Blättern – – –
aber sie sind noch gar nicht da!"

"Spätsommer" von Peter Altenberg (1859 – 1919)






 






Mein Kampf und meine Gefahr...




Mein Kampf und meine Gefahr liegt darin, daß ich nicht wirklich
werden kann, daß es immer Dinge gibt, die mich verleugnen,
Ereignisse, die mitten durch mich durchgehen, wirklicher denn
ich und so,  als ob ich nicht wäre.


(Rainer Maria Rilke)







Daß unsere Aufgabe...




Daß unsere Aufgabe genauso groß ist wie unser Leben, 
gibt ihr einen Schein von Unendlichkeit.

(Franz Kafka) 







Wenn man ...




Wenn man so ganz allein im Walde steht,
begreift man nur sehr schwer,
wozu man in Büros und Kinos geht.
Und plötzlich will man alles das nicht mehr.

(Erich Kästner)







Foto: Tim Maas








Der Panther - Rilke



 
Der Panther

Im Jardin des Plantes, Paris


Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.



Rainer Maria Rilke, 6.11.1902, Paris 












Ich trage Dein Herz bei mir...




Ich trage Dein Herz bei mir.
Ich trage es in meinem Herzen.

Nie bin ich ohne es.

Wohin ich auch gehe, gehst Du meine Teure.
Und was auch nur von mir allein gemacht wird, ist Dein Werk, mein Schatz.
Ich fürchte kein Schicksal, weil Du mein Schicksal bist, mein Liebling.
Ich will keine Welt, weil Du meine Schöne, meine Welt bist, meine Liebste.

Hier ist das tiefste Geheimnis, um das keiner weiß.
Hier ist die Wurzel der Wurzel.
Und die Knospe der Knospe.
Und der Himmel des Himmels, eines Baumes namens Leben.
Der höher wächst, als unsere Seele hoffe, unser Geist verstecken kann.
Das ist das Wunder, das den Himmel zusammen hält.

Ich trage Dein Herz.
Ich trage es in meinem Herzen.


(E.E. Cummings)






Foto: Tim Maas









in mir...




in mir gibt es viele
räume

in einem davon
wohnst du weiterhin

mit deinem ganzen sein

nichts überließ ich dem wind
nichts ging verloren

 
© Rea Revekka Poulharidou







Kalendergedicht, Mittwoch, 31. August 2016




RUHE

Von des Mooses weichem Pfühle
Blick´ich träumend himmelan,
Und es schifft die freie Seele
Durch die Lüfte Ocean.

Tiefe Ruhe, sel´ges Schweigen,
Fernab liegt die laute Welt;
Nur der Liebe heil´ger Odem
Weht durchs stille Himmelszelt.


Julius Sturm (1816-1896)







die unfertigen tage...




die
unfertigen
tage

zu ihrem ende hin

nachreifen
lassen

wie
späte sonne
auf sandfarbene
haut

 
(caeliriva)
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 

Dienstag, 30. August 2016

Ich fragte dich...




Ich fragte dich, warum dein Auge gern
in meinem Auge ruht,
so wie ein reiner Himmelsstern
in einer dunklen Flut.

Du sahest lang mich an,
wie man ein Kind mit Blicken mißt,
und sagtest freundlich dann:
ich bin dir gut, weil du so traurig bist.


(Hermann Hesse 1877-1962)














Jeder erlebt schließlich...



Jeder erlebt schließlich nur EINEN  Konflikt im Leben, der sich nur
immer anders vermummt und anderswo heraustritt.


(Rainer Maria Rilke)







Wenn oft der Tag...




Wenn oft der Tag, der hastig wilde,
die Sehnsucht in mein Herz verdrängt,
sobald die Nacht, barmherzig milde,
die Schatten auf mein Auge senkt,
läßt sie sich nimmermehr bezwingen,
wie lang sie auch verborgen blieb,
dann schwebt sie auf den Ätherschwingen
zu dir, mein fernes, schönes Lieb...

(Rainer Maria Rilke) 







LEBENSRÄTSEL




 
LEBENSRÄTSEL

Ich erscheine mir als Luftspiegelung.
Ungefähr. Schon vorbei. Nicht genau zu beschreiben.
Hier und da einer Liebe Erinnerung
Mag in dem und jenem von mir übrigbleiben.

Und das Lebensrätsel noch ungeklärt.
Und kein Ansatz zur Lösung. Ein Nichts, doch
verschleiert,
Ist das, was liebt und was Liebe erfährt
Und was in uns Auferstehungen feiert.

Ich weiß nichts von mir. Ich bin mir zu flüchtig.
Eine Luftspiegelung. Ich ahne mich nur.
Und ich bin doch wer weiß wie nach Wirklichkeit süchtig
Und suche im Flugsand nach meiner Spur.

(Eva Strittmatter)







ich bin der raum...




ich bin der raum zwischen dem, was ich nicht bin, zwischen dem,
was ich träume, und dem, was das leben aus mir gemacht hat…

- Fernando Pessoa -






DIE LIEBE




DIE LIEBE

Immer tragen wir Herz von
Herzen uns zu,
Pochende Naht
Hält unsere Schwellen vereint.

(Else Lasker-Schüler)
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 






Kalendergedicht, Dienstag, 30. August 2016




BAJAZZO - AUS "KÖNIG NICCOLO"


Seltsam sind des Glückes Launen,
Wie kein Hirn sie noch ersann,
Daß ich meist vor lauter Staunen
Lachen nicht noch weinen kann!

Aber freilich steht auf festen
Füßen selbst der Himmel kaum,
Drum schlägt auch der Mensch am besten
Täglich seinen Purzelbaum.



Frank Wedekind (1864-1918)







Dir mein Herz...




Dir mein Herz
warf ich Blumen
in die Seele
und bekam
Stille.
Was mehr
konnte ich verlangen?


(Jens Schacht)







Foto: Tim Maas








Montag, 29. August 2016

LÖSCH MIR DIE AUGEN AUS




LÖSCH MIR DIE AUGEN AUS

Lösch mir die Augen aus: ich kann dich sehn,
wirf mir die Ohren zu: ich kann dich hören,
und ohne Füße kann ich zu dir gehn,
und ohne Mund noch kann ich dich beschwören.
Brich mir die Arme ab, ich fasse dich
mit meinem Herzen wie mit einer Hand,
halt mir das Herz zu, und mein Hirn wird schlagen,
und wirfst du in mein Hirn den Brand,
so werd ich dich auf meinem Blute tragen.

(Rainer Maria Rilke)














Wenn die Sterblichen weinen...




Wenn die Sterblichen weinen, 
ist es ein Zeichen dafür, dass sie anfangen sich zu erholen 
und ihnen wieder zu Bewusstsein kommt, 
dass sie am Leben sind.

- Enrique Vila-Matas: Dublinesk -







SELIGE SEHNSUCHT



 
SELIGE SEHNSUCHT


Sagt es niemand, nur den Weisen,
Weil die Menge gleich verhöhnet,
Das Lebend'ge will ich preisen,
Das nach Flammentod sich sehnet.

In der Liebesnächte Kühlung,
Die dich zeugte, wo du zeugtest,
Überfällt dich fremde Fühlung,
Wenn die stille Kerze leuchtet.

Nicht mehr bleibest du umfangen
In der Finsternis Beschattung,
Und dich reißet neu Verlangen
Auf zu höherer Begattung.

Keine Ferne macht dich schwierig,
Kommst geflogen und gebannt,
Und zuletzt, des Lichts begierig,
Bist du, Schmetterling, verbrannt.

Und solang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.


(Johann Wolfgang von Goethe)









Foto: Tim Maas









Die Welt...




Die Welt hat nichts Schöneres bereit.
Stumpf wäre der, der vorübergeht,
Ein Anblick, so voller Majestät:
Die Stadt trägt wie ein einzig' Kleid

Die Schönheit dieses Morgens: Ungeschminkt und fein,
Offen auf dem Feld und zu dem Himmel wunderbar,
Liegen Schiff, Turm, Kuppel, Theater, Tempel da,
Funkelnd und glitzernd in den Lüften rein.

Niemals zuvor tauchte in ihre erste Pracht
Gold' ner die Sonne Tal, Fels und Hang;
Nie sah ich, nie fühlt' ich solch' Andacht!
Der Fluss glitt nach seiner Art entlang:

Lieber Gott! Die Häuser sehen klagend aus;
Und dieses große mächt' ge Herz ruht aus!



(William Wordsworth)






Foto: Tim Maas







wer liebt mehr?




wer liebt mehr?
derjenige, der deine
perfekte symmetrie
fraglos über alles
bewundert
oder
derjenige, der dir hilft
deine zahllosen einzelteile
wieder zusammen
zu fügen?

 
(Rea Revekka Poulharidou)






Kalendergedicht, Montag, 29. August 2016





DER BERNSTEIN


Die Menschen lesen gerne in den Sternen
Und denken an die herbe Schrift des Herrn:
Ich aber wähle keine Weltenfernen
Und wähne das Geschick im Wesenskern.

Ich nehme einen Stein aus fremden Meeren
Und sehne mich nach seinem Sagensang:
Sein Wesen glänzt von eingekerbten Lehren
Und macht die Seele traumerfüllungsbang.



Theodor Däubler (1876-1934)








der himmel...




der himmel
braucht keine
wolke

er hat eine möwe

jetzt
blendet
er
weiß

(ichbinnurneugierig)







MÖWENLIED





MÖWENLIED

Die Möwen sehen alle aus,
als ob sie Emma hießen.
Sie tragen einen weißen Flaus
und sind mit Schrot zu schießen.

Ich schieße keine Möwe tot,
Ich laß sie lieber leben -
und füttre sie mit Roggenbrot
und rötlichen Zibeben.

O Mensch, du wirst nie nebenbei
der Möwe Flug erreichen.
Wofern du Emma heißest, sei
zufrieden, ihr zu gleichen.

(Christian Morgenstern) 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 

Sonntag, 28. August 2016

"Gefunden"



"GEFUNDEN"
 
 
Ich ging im Walde
So für mich hin,
Und nichts zu suchen,
Das war mein Sinn.

Im Schatten sah ich
Ein Blümchen stehn,
Wie Sterne leuchtend,
Wie Äuglein schön.

Ich wollt es brechen,
Da sagt es fein:
Soll ich zum Welken
Gebrochen sein ?

Ich grub's mit allen
Den Würzlein aus,
Zum Garten trug ich's
Am hübschen Haus.

Und pflanzt es wieder
Am stillen Ort;
Nun zweigt es immer
Und blüht so fort.



(Johann Wolfgang von Goethe)














Zorn mit uns herumtragen ...




Zorn mit uns herumtragen ist wie das 
Greifen nach einem glühenden Stück Kohle in der Absicht, 
es nach jemandem zu werfen. 
Man verbrennt sich nur selbst dabei.

(Buddha aka Siddharta Gautama)







Freude ist...




Freude ist unsäglich mehr als Glück,
Glück bricht über die Menschen herein, Glück ist Schicksal –
Freude bringen sie in sich zum Blühen,
Freude ist einfach eine gute Jahreszeit über dem Herzen;
Freude ist das Äußerste, was die Menschen in ihrer Macht haben.

(Rainer Maria Rilke) 







Manchmal...





Manchmal erkennt man den Wert eines Augenblicks erst dann, 
wenn er zur Erinnerung wird.

- DR. SEUSS -







schein bare ruhe...




schein
bare ruhe
wie wind
stille see
im spiegel
ein himmel
in mir
eine welt

und meer
und mehr

- Marianne Rieter -







Foto: Tim Maas








in der ferne ...




in der ferne
spüre ich dich nicht

in der nähe
sehe ich dich nicht

ich lese deine wunden in der rinde
neben dem herzschnitt

deine worte höre ich nur noch
mit meiner stimme

(wenn ich die augen schließe
oder leise
vom westwind singe)

ich sehe dich
nicht in der ferne

ich spüre dich
nicht in der nähe
.


(thepoemist)







Kalendergedicht, Sonntag, 28. August 2016




WANDERUNG IM GEBIRGE


Du warst mir ein gar trauter, lieber
Geselle, komm, du schöner Tag,
Zieh noch einmal an mir vorüber,
Daß ich mich deiner freuen mag!


Nikolaus Lenau (1802-1850)







Da wächst man....





Da wächst man und weiß nicht wohin 
in diesen unbestimmten Tagen.

(Hermann Josef Schmitz)








Foto: Tim Maas









Samstag, 27. August 2016

DU BIST WIE EINE BLUME




DU BIST WIE EINE BLUME

Du bist wie eine Blume
So hold und schön und rein:
Ich schau' dich an, und Wehmut
Schleicht mir ins Herz hinein.

Mir ist, als ob ich die Hände
Aufs Haupt dir legen sollt',
Betend, daß Gott dich erhalte
So rein und schön und hold.


(Heinrich Heine)













Wer in seinem eigenen Dasein...




Wer in seinem eigenen Dasein sich größer, freier und menschlicher
macht, der tut das Seinige zum Frieden.


(Rainer Maria Rilke)







HELLES LACHEN...




HELLES LACHEN

Er reiste viel.
So verwischte er die Erfahrung
der Ortlosigkeit.
Ein Genießer des Augenblicks,
begabt zur Illusion
einer sich selbst genügenden
Gegenwart.
Solange es dauert, sagte er,
und die Furcht
ließ ihn lachen - heller
als ich je einen Menschen
lachen hörte.

(Rainer Malkowski)








Einen brauchst Du auf dieser Welt...




Einen brauchst Du auf dieser Welt,
der mit Dir weint und lacht,
einen, der unbeirrt zu Dir hält,
der Deine Probleme zu seinen macht.

Einen, der Deine Träume kennt,
Dir Deine Schwächen vergibt,
einen, der Dich beim Namen nennt,
und froh ist, dass es Dich gibt.

Einen, der Dich in die Arme nimmt,
wenn eine Hoffnung zerbricht,
einen, der Deine Saiten stimmt.
Einen brauchst Du als Licht.

(Emmy Grund)






Foto: Tim Maas







Beginne zu verstehen...




Beginne zu verstehen, 
dass Gefühle keine Tatsachen sind, dass Gedanken keine Wahrheit sind, 
dass Wahrnehmung keine Realität ist
und dass nichts davon dein wahres Sein ist.

- DON JOSEPH GOEWEY -







Wenn der Morgen...




Wenn der Morgen
seine ersten Strahlen
in einen neuen Tag mir schickt,
denk ich ein bisschen
auch an dich.

Wenn das Besondere
der Gleichförmigkeit weicht,
denk ich ein bisschen
auch an dich.

Wenn das Spiel der Gezeiten,
mich an das Ufer spült,
denk ich ein bisschen
auch an dich.

Ich lass ein Platz
frei neben mir,
damit du alles sehen kannst,
Als wärst du nah,
nur kurz entfernt.
Ganz dicht.
Fast neben mir.

(nebenbeibemerkt)







Kalendergedicht, Samstag, 27. August 2016



AUS: PARABOLISCH - 9


Schwer, in Waldes Busch und Wuchse
Füchsen auf die Spur gelangen;
Hält's der Jäger mit dem Fuchse,
Ist's unmöglich, ihn zu fangen.

Und so wäre manches Wunder
Wie A B Ab auszusprechen,
Über welches wir jetzunder
Kopf und Hirn im Kopf zerbrechen.


Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)







Alles, was...




Alles, was lange währt,
ist leise.

(Joachim Ringelnatz)







Foto: Tim Maas








Freitag, 26. August 2016

Solange...



Solange die Lage und die Existenz
des Paradieses nicht geklärt sind
halte ich mich an dich

(Peter Turrini)






ES TRÄUMET DER SEE




ES TRÄUMET DER SEE

Und stiller und stiller wird rings schon die Flut;
im Westen erstirbt schon die rötliche Glut, -
besänftigend breitet den Schleier die Fee:
es legt sich die Welle -
Es träumet der See.


(Rainer Maria Rilke)
 
 
 
 



Foto: Tim Maas








Darin aber irren die jungen Menschen...



Darin aber irren die jungen Menschen so oft und so schwer: daß sie 
(in deren Wesen es liegt, keine Geduld zu haben) sich einander 
hinwerfen, wenn die Liebe über sie kommt, sich ausstreuen, so wie 
sie sind in all ihrer Unaufgeräumtheit, Unordnung, Wirrnis...: 
Was aber soll dann sein? 


(Rainer Maria Rilke)







Öffnen wir...



Öffnen wir das Herz nicht – 
gehen wir zugrunde.

(Alexander Blok)






Nichts bleibt...




Nichts bleibt, mein Herz.
Und alles ist von Dauer.

(Erich Kästner / Der August)
 
 
 
 
 


Foto: Tim Maas








im trüben...




im trüben
du hüllst

dich
in schweigen

und

mich
in zweifel
.

(thepoemist)







Kalendergedicht, Freitag, 26. August 2016




STACHELSCHWEINCHENS ABENDGEBET


»Müde bin ich, geh zur Ruh.
Schließ die Schweineäuglein zu.
Über meinem Bettchen klein
wacht das Mutterstachelschwein.
Kommt ein Feind und will mich heischen,
wird sie ihn zerstachelschweinefleischen.
Niemand störet mich in meiner Ruh.
Gute Nacht, bis morgen in der Fruh.«



Fred Endrikat (1890-1942)







Und selbst wenn...




Und selbst wenn das Leben
nichts weiter ist als ein
"Kommen und Gehen", bist
du mein "Stehenbleiben",
mein kurz "den Atem anhalten
und lächelnd staunen."

(Emma denkt)






Foto: Tim Maas








Donnerstag, 25. August 2016

Ich werf mich ...




Ich werf mich auf mein Lager hin,
Und liege lange wach,
Und suche es in meinem Sinn,
Und sehne mich darnach.

(Matthias Claudios)






ach du...




ach du

denke ich

es ist
ein gedanke
aus trotz
stolz
hoffnung
sehnsucht
liebe

ach du

denke ich

ist dir
überhaupt klar
dass ich
in deine seele
gefallen bin...


(Edith Hornauer)







Foto: Tim Maas








der staub der zeit...



 
der staub der zeit liegt auf dem tisch
an dem wir gemeinsam aßen
ich wischte ihn nicht fort

nur mit dem finger

schrieb ich darauf
die buchstaben
deines namens

© Rea Revekka Poulharidou






“(Sie erkannte)...




“( Sie erkannte), dass manche Dinge

immer ein bisschen kaputt blieben-

auch nachdem man sie repariert hatte.”



- Josephine Angelini -
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 



Meine Einsamkeit...



Meine Einsamkeit, ein leeres Boot am Ufer deines Herzens, 
in ihm liegt mein Gedicht, übers dunkle Meer kommst du zu mir, wenn du es liest.

(Sami Kuci)






Kalendergedicht, Donnerstag, 25. August 2016




DER MORGEN IM GEBIRGE


Wie lieb´ich den Morgen in Bergen,
Die frische belebende Luft,
Und über den Thälern und Gipfeln
Den leise wallenden Duft.

Da schweigen die Menschen noch alle,
Man kann das Flüstern der Seen,
Das Rauschen der fallenden Bäche,
Den Laut des Waldes verstehn.



Marie Förster (1817-1856)






Foto: Tim Maas








gerade nahe genug...




gerade nahe genug
warst du

an meinem traum
(um die lücke

mit sehnsucht
zu füllen)
.

(thepoemist)







Foto: Tim Maas









Mittwoch, 24. August 2016

Mir ist...




Mir ist, als hätte ich viel zu viel Sommer gehabt und zu viel Sonne.
Alles in mir wartet darauf, daß die Bäume alles abthun und
daß hinter ihnen die Ferne sichtbar wird mit ihren leeren
Feldern und mit den langen Wegen in den Winter hinein.


(Rainer Maria Rilke)







LIEBESHYMNE




LIEBESHYMNE

So bist Du mein?
Bin ich Dein?
O süße Lust!
Von Deinem Arm umschlungen,
Von Liebe ganz durchdrungen
Ruh' ich an Deiner Brust,
O süße Lust!

Sieh', um uns blühen die Rosen
Die lieben Vögelein kosen:
Wie wir -
Und liebeschützend gleitet
Die Nacht heran
und breitet
Den Sternenschleier
Über uns.

(Marie Eugenie Delle Grazie 1864-1931)
 
 
 
 
 

Foto: Tim Maas







ICH GEHE SCHLAFEN




ICH GEHE SCHLAFEN

Zähne aus Blüten und eine Haube aus Tau
Hände aus Kräutern, du, meine feine Amme.
Mach mein Bett bereit, mit Leintüchern aus Erde
Und einer dicken Decke aus gezupftem Moos.
Bald geh ich schlafen, meine Amme, bring mich ins Bett.
Stell mir ein Lämpchen hin
Irgendein Sternbild, das dir gefällt.
Mir ist jedes recht. Ein klein wenig näher bitte.
Lass mich allein. – Du hörst die Knospen aufbrechen
Von oben wiegt in Himmelsfuss dich leise
Und ein Vogel zeichnet eine Melodie dazu
Damit du vergisst… Danke. Ach, noch eine Bitte:
Falls er noch einmal telefoniert
Sag ihm, es habe nun keinen Zweck mehr, ich sei gegangen.

(Alfonsina Storni)







WIR SIND NUR AUGENBLICKE




WIR SIND NUR AUGENBLICKE

Wir sind nur
Augenblicke,
ein paar Stunden
zwischen gestern und morgen,
zwei Steine am Strand,
zufällig aneinander gelagert,
angeschwemmt am Ufer eines Tages.


(René Schmidt)






Foto: Tim Maas








Was ist Liebe?




Was ist Liebe? 
Das ist doch ganz einfach! 
Liebe ist alles, was unser Leben steigert, erweitert, bereichert.
Nach allen Höhen und Tiefen. Die Liebe ist so unproblematisch wie ein Fahrzeug. 
Problematisch sind nur Lenker, die Fahrgäste und die Straße.

(Franz Kafka)
 
 
 
 
 
 

Rainer Maria Rilke „Blaue Hortensie" II




BLAUE HORTENSIE

So wie das letzte Grün in Farbentiegeln
sind diese Blätter, trocken, stumpf und rau,
hinter den Blütendolden, die ein Blau
nicht auf sich tragen, nur von ferne spiegeln.

Sie spiegeln es verweint und ungenau,
als wollten sie es wiederum verlieren,
und wie in alten blauen Briefpapieren
ist Gelb in ihnen, Violett und Grau;

Verwaschenes wie an einer Kinderschürze,
Nichtmehrgetragenes, dem nichts mehr geschieht:
Wie fühlt man eines kleinen Lebens Kürze.

Doch plötzlich scheint das Blau sich zu verneuen
in einer von den Dolden, und man sieht
ein rührend Blaues sich vor Grünem freuen.

 
- RAINER MARIA RILKE -













Kalendergedicht, Mittwoch, 24. August 2016




FELDEINSAMKEIT


Ich ruhe still im hohen grünen Gras
Und sende lange meinen Blick nach oben,
Von Grillen rings umschwirrt ohn Unterlaß,
Von Himmelsbläue wundersam umwoben.

Und schöne weiße Wolken ziehn dahin
Durchs tiefe Blau wie schöne stille Träume; -
Mir ist, als ob ich längst gestorben bin
Und ziehe selig mit durch ewge Räume.


Hermann Allmers (1821-1902)







DAS SCHÖNSTE




DAS SCHÖNSTE


Ich flüchte
in dein Zauberzelt
Liebe

im atmenden Wald
wo Grasspitzen
sich verneigen

weil es nichts Schöneres gibt

(Rose Ausländer)





Foto: Tim Maas








Dienstag, 23. August 2016

"... wenn wir etwas...



 
"... wenn wir etwas über die Unbestechlichkeit, den Triumph der Sprache erfahren wollen, lesen wir ein Gedicht ... das Gedicht ist uns selbst auf der Spur, es zeigt uns Wege, die wir verlassen haben, die wir finden oder wieder finden müssen, wenn wir auf dem Weg zu uns selbst sind. Darum sind Gedichte unverzichtbar, darum gehören sie zu unserem Existenzminimum ..."

(Elisabeth Borchers)







Ich freue jeden Tag...




Ich freue jeden Tag dem Abend mich entgegen
und jede Nacht im Traum mich auf den Morgensegen.
Ich freue still mich mit unungestümer Lust,
nicht ungeduldig ist die Freud in meiner Brust.
Ich freu mich auf die Stund und auf den Augenblick,
auf groß und kleines, mein und anderer Geschick.
Vom Herbst den Winter durch freu ich dem Lenz mich zu
und aus dem Sommer durch den Herbst zur Winterruh.
Ich freu mich durch des Jahrs und durch des Lebens Zeit
und aus der Zeit hinaus mich in die Ewigkeit.

 
- FRIEDRICH RÜCKERT -







Foto: Tim Maas







Sommer ist:




Sommer ist:
wenn das Zimmer bei halbgeschlossenen
Jalousien vor sich hin dämmert,
wenn eine einsame Fliege brummend
das Freie sucht und nicht findet,
wenn draussen Zikaden zirpen
bei brütender Hitze, während über
die Fliesen Lichthasen huschen,
zitternd weisse Geschöpfe,
und Vasen, Töpfe, Krüge als
Stilleben gänzlich ruhen.

(Ilma Rakusa)







die hände...




die hände
halten wir gegen die sonne.
tücher spannen sich schützend
vor den wind.

wir stehen.
daneben strandgut und angespültes,
als seien auch wir zum finden
freigegeben.

draußen
rauschen die großen schiffe
an uns vorbei.

wie
könnte
man
sich
erinnern
oder
vergessen.

salziges wasser.
toter sand und vertriebene
zeit.


(caeliriva)







LASS UNS ALLE WEGE GEHEN





LASS UNS ALLE WEGE GEHEN

Laß uns alle Wege gehen
In der ganzen weiten Stadt,
Bis von unsrer Liebe jedes
Steinchen was zu sagen hat,

Bis die Stadt der blaue Himmel
Gleich als einen Tempel krönt,
Der von unsrer wundervollen
Liebe Tag und Nacht ertönt.

(Frieda Port 1854-1926)







Foto: Tim Maas








Kalendergedicht, Dienstag, 23. August 2016




FORTSCHRITT


Und wieder rauscht mein tiefes Leben lauter,
als ob es jetzt in breitern Ufern ginge.
Immer verwandter werden mir die Dinge
und alle Bilder immer angeschauter.
Dem Namenlosen fühl ich mich vertrauter:
Mit meinen Sinnen, wie mit Vögeln, reiche
ich in die windigen Himmel aus der Eiche,
und in den abgebrochnen Tag der Teiche
sinkt, wie auf Fischen stehend, mein Gefühl.



Rainer Maria Rilke (1875-1926)












wie viele tage...




wie viele
tage
habe ich
schon
vergessen
bevor
sie
zu ende
waren
?

(thepoemist)







Im Traume nur...




Im Traume nur siehst du es glühn und funkeln.
Ich spüre es wohl, wie unsere Tage dunkeln.

(Mascha Kaléko)







Foto: Tim Maas