Donnerstag, 28. Februar 2019

Wir sind Fremde...





Wir sind Fremde
von Insel
zu Insel.
Aber am Mittag,
wenn uns das Meer
bis ins Bett steigt
und die Vergangenheit
wie Kielwasser
an unsern Fersen abläuft
und das tote Meerkraut am Strand
zu goldenen Bäumen wird,
dann hält uns kein Netz
der Erinnerung mehr,
wir gleiten
hinaus,
und die abgesteckten
Meerstraßen der Fischer
und die Tiefenkarten
gelten nicht
für uns.

- Hilde Domin -






The Cinematic Orchestra - Arrival of The Birds & Transformation













Ein Glück bleibt es bei alledem, ...






Ein Glück bleibt es bei alledem, wenn man in der Einsamkeit mit sich selber fertig werden kann. Aber wie viele sind gebunden und müssen ihr Elend im Verkehr mit Menschen verdoppelt tragen.

- Friedrich Nietzsche -






Schließe mir die Augen beide...






Schließe mir die Augen beide
mit den lieben Händen zu!
Geht doch alles, was ich leide,
unter deiner Hand zur Ruh.

Und wie leise sich der Schmerz
Well' um Welle schlafen leget,
wie der letzte Schlag sich reget,
füllest du mein ganzes Herz.

(Theodor Storm)






… Und eine kurze Zeitenspanne...





… Und eine kurze Zeitenspanne ruht
Die weite Erde, und das Flüstern schweigt.…

Hugo Marti (1893-1937)








Foto: Tim Maas









In einem wankenden Schiff ...





In einem wankenden Schiff fällt um, wer stillesteht, nicht wer sich bewegt.

Ludwig Börne (1786-1837)






Der Himmel ...





Der Himmel kommt niemals dem zur Hilfe, der selbst nichts tut.

- Sophokles -






Kalendergedicht, Donnerstag 28.Februar 2019





LEBENSART


Über Wetter- und Herren-Launen
Runzle niemals die Augenbraunen;
Und bei den Grillen der hübschen Frauen
Mußt du immer vergnüglich schauen.


Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)






Mittwoch, 27. Februar 2019

LEBEN I





LEBEN I

Angemessen zu sein, dem Leben zu entsprechen,
Darauf kommt es an. Und nicht auf Biegen und Brechen
Nach Glück zu gieren. Was ist Glück?
Glück ist Verführung zum Verweilen.
Man will die Welt in einem Stück
Und nicht mit andern teilen.
Man übertreibt die Selbstempfindung,
Wenn man nach Glück geht. Man vergißt
Die Unauflöslichkeit der Bindung
Von Licht und Dunkel. Und man mißt
Mit falschem Maß, sieht man nur sich.
Leben verlangt Selbstüberwindung:
Zuerst die andern, und dann ich.

(Eva Strittmatter)






Boden unter meinen Füßen suchen...





Boden unter meinen Füßen suchen. Still sein, wenn ich nichts zu sagen weiß. Meinem Zögern Zeit lassen. Meine Angst aus ihrem Käfig befreien. Nichts tun, was ich nicht will. Spazieren gehen und nach Hause kommen …

- Brigitte Heidebrecht -







Foto: Tim Maas









Wenn wir älter werden...






Wenn wir älter werden, finden wir Trost bei dem Gedanken, dass es Generationen dauert, bis eine Lebensart verschwindet. Wir kennen die Lieder, die unsere Großeltern liebten, auch wenn wir nie nach ihren Melodien getanzt haben.

- Amor Towles: Ein Gentleman in Moskau - 






Die Dinge...





Die Dinge haben nur den Wert, den man ihnen verleiht.

Molière (1622-1673)






Kalendergedicht, Mittwoch 27.Februar 2019





WIE GERN MÖCHT DA MANCH BLUT MIT WASSER TAUSCHEN


Ich hörte eine Stimme groß anschwellen,
Ich hörte Wellen rauschen und lag wach,
Das Flußeis brach in dieser Nacht,
Die Südluft löst' es mir Gekrach.
Lebendig tat der Fluß aufschnellen
Und flog vorbei an allen Uferstellen.
Ich mußt ihn tief im Schlaf belauschen,
Frei lief das Wasser wieder seinem Herzen nach.
Wie gern möcht da manch Blut mit Wasser tauschen.


Max Dauthendey (1867-1918)






Dienstag, 26. Februar 2019

James Yorkston & The Athletes- I Awoke













Wozu lebt man...






Wozu lebt man, wenn der Wind hinter unserm Schuh 
schon die letzte Spur von uns wegträgt?

Stefan Zweig (1881-1942)






twitter #JedeWocheEinFoto KW 09/19 "INNENLEBEN"





Liebe schließt von innen auf.

Manfred Hinrich (1926-2015)
 
 
 
 
 


Foto: Tim Maas








ACH, WAS IST DAS FÜR EIN MORGEN






ACH, WAS IST DAS FÜR EIN MORGEN



Ach, was ist das für ein Morgen,

der mich für die Dummheit des Lebens weckt

und für seine große Zärtlichkeit!



(Fernando Pessoa)






"Wer den Sinn erfasst hat...





"Wer den Sinn erfasst hat, ist ruhig. Wer ruhig ist, meidet das Wissen.
Wer den Wert des Nichtwissens erkennt, mit dem kann man über den Weg des Fürsten reden."

- Lü Bu We -






Kalendergedicht, Dienstag 26.Februar 2019





Ein Ding mag noch so närrisch sein,
es sei nur neu, nimmt es den Pöbel ein.


Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769)






Montag, 25. Februar 2019

André Barros - Disclosures













Vielleicht heißt lieben, zu lernen,...






Vielleicht heißt lieben, zu lernen,

durch diese Welt zu gehen.

Zu lernen still zu sein

wie die Linde und die Eiche der Fabel.

Sehen zu lernen.

Dein Blick streut Samen.

Er hat einen Baum gepflanzt.

Ich spreche,

weil du sein Laub wiegst.


( Octavio Paz )






"Alle Erinnerung...






"Alle Erinnerung ist Gegenwart."

(Novalis)








Foto: Tim Maas









DER LIEBSTE






DER LIEBSTE

Ach Liebster, wie nur kannst Du
Empfinden Traurigkeit,
Da mich doch so unendlich
Du glücklich machst allzeit?

Du meine Sonne schenkest
Mir Kraft, Lebendigkeit
Und tust des Lichtes Quelle
Mir auf unendlich weit.

Aus meinen vollen Händen
Brillantenregen fällt,
Ich könnte schier beglücken
Die ganze weite Welt!


Aspazija (1865-1943)






"Wenn ich einen Satz auswählen sollte...





"Wenn ich einen Satz auswählen sollte, 
um meine ganze Lehre zusammenzufassen, würde ich sagen: 
Lass nichts Böses in deinen Gedanken sein."

- Konfuzius -






Kalendergedicht, Montag 25.Februar 2019





LOS DES LYRIKERS


Stets am Stoff klebt unsere Seele, Handlung
Ist der Welt allmächtiger Puls, und deshalb
Flötet oftmals tauberem Ohr der hohe
Lyrische Dichter.

Gerne zeigt Jedwedem bequem Homer sich,
Breitet aus buntfarbigen Fabelteppich;
Leicht das Volk hinreißend erhöht des Dramas
Schöpfer den Schauplatz:

Aber Pindars Flug und die Kunst des Flaccus,
Aber dein schwerwiegendes Wort, Petrarca,
Prägt sich uns langsamer ins Herz, der Menge
Bleibt's ein Geheimnis.

Jenen ward bloß geistiger Reiz, des Liedchens
Leichter Takt nicht, der den umschwärmten Putztisch
Ziert. Es dringt kein flüchtiger Blick in ihre
Mächtige Seele.

Ewig bleibt ihr Name genannt und tönt im
Ohr der Menschheit; doch es gesellt sich ihnen
Selten freundschaftsvoll ein Gemüt und huldigt
Körnigem Tiefsinn.


August von Platen (1796-1835)






Sonntag, 24. Februar 2019

Alle versuchen...





Alle versuchen dem Menschenleben noch etwas hinzuzufügen - darin liegt ihr Irrtum.

Sawaki Kōdō 澤木 興道






André Barros - Susan













GLÜCK





GLÜCK

Sich zurücklegen
die Augen
schließen
den Mund
leicht spitzen
und darauf
warten
geküsst
zu werden.

Und dann
geküsst werden.


(Erich Fried)






Liebe ist nicht Trost...





Liebe ist nicht Trost, sondern Licht.

- Simone Weil -







Foto: Tim Maas








Solange das Liebe heißt,...






Solange das Liebe heißt, daß einer siegt
über den andern, geh ich. Teile Kühle
im Gehen mit. Ich werde nicht zuteil.

(Rainer Maria Rike)






Kalendergedicht, Sonntag 24.Februar 2019





WUNSCH

Wenig ist, was ich begehre,
Und doch steht es mir so fern:
Aus dem ganzen Sternenheere
Einen einz'gen lieben Stern!
Und was Himmel, Erd' und Meere
Noch umfassen – ließ' ich gern! –

Joseph Christoph von Zedlitz (1790-1862)






Samstag, 23. Februar 2019

Es ist schon so. Der Frühling kommt in Gang....





Es ist schon so. Der Frühling kommt in Gang.
Die Bäume räkeln sich. Die Fenster staunen.
Die Luft ist weich, als wäre sie aus Daunen.
Und alles andere ist nicht von Belang.

Erich Kästner *23.02.1899





Patrick Watson - Lighthouse













Oh, mit der Zeit,...





Oh, mit der Zeit, da kommt alles auseinander, 
nur gegen die Zeit bleibt man beisammen

(Rainer Maria Rike)






IN DIESEM SCHATTEN





IN DIESEM SCHATTEN

In diesem Schatten ist so viel Sonne
dass ich meine ganzen Augen
in goldenen Reichtum tauchen kann


in diesem Regen
ist soviel Schönwetter
dass ich das nasse Haar
an meinen Wangen trocknen kann


in diesem Tag ist soviel Zukunft
dass die Arme ellbogentief versinken
also sage ich - die Arme voller Tag
ich liebe


(Halina Poswiatowska)







Foto: Tim Maas










FEBRUAR





FEBRUAR

Schnee im Gesicht,
ganz feine Stiche

meine schon
verheilenden Schritte

in der weißen Haut
des beginnenden Tages.

(Thomas Beller)






Abschiede...





Abschiede sind eine Last im Gefühl.

(Rainer Maria Rike)






Kalendergedicht, Samstag 23.Februar 2019





Was ich dir wünsche, mein Freund? 
Ich wünsche allen dasselbe: Finde jeglicher den, der ihm im Innersten gleicht!
Bist du ein Guter, so kann dich der Himmel nicht besser belohnen, 
bist du ein Schlimmer, so straft ärger die Hölle dich nicht.

Friedrich Hebbel (1813-1863)






Freitag, 22. Februar 2019

Und meine Seele, die dich sucht...





Und meine Seele, die dich sucht
so natürlich
wie abends ein Vogel über das Meer fliegt,
verliert die Richtung
und kommt
nie wieder an Land.

(Hilde Domin)






Fink - Looking Too Closely













Heute ist das Morgen,...






Heute ist das Morgen,
über das wir uns gestern den Kopf zerbrachen.

- Unbekannt -
 
 
 




Foto: Tim Maas









NUR AUF DIE STILLE ACHTEN




NUR AUF DIE STILLE ACHTEN



Nur auf die Stille achten,

auf die Stille hören!

bis die Ruhe

der Hintergrund

geworden ist,

auf dem sich

ALLES

zeigt.



( Willigis Jäger )






Wärst du nur...





Wärst du nur
Mein Morgen
Der mir
Täglich erscheint

Wärst du nur
Mein Mittag
Die Sonne,
Die auf mich
Scheint

Wärst du nur
Mein Abend
Der nächtlich
Mit mir weint-


- dr-richard-train -
 
 
 
 



Foto: Tim Maas












Die Zeit heilt alle Wunden. ...





Die Zeit heilt alle Wunden. 
Aber was ist, wenn die Zeit selbst die Wunde ist?

[aus "Der Himmel über Berlin"]






Kalendergedicht, Freitag 22.Februar 2019




Wer hat in Gold und Silberstück
Die Sonn und Mon gekleidet?
Wer hats gemacht so schnell und flück,
Daß nie kein Pfeil erleidet?
Wer hat die Sternen zündet an?
Wer hats gezählt mit Namen?
Wer hats mit Wesen angetan!
Da sie von Nichten kamen?

Allein, allein ist unser Gott,
Der Taten groß verrichtet;
Sobald nur schallet sein Gebot,
All Streit ist schon geschlichtet.
Da laufens ihm in Eil zu Hand
Geschöpf nach seinen Sinnen,
Voll seiner Kraft wird alles Land
Viel Wunder da beginnen.


Friedrich Spee (1591-1635)






Donnerstag, 21. Februar 2019

“der schrei eines sterbenden Vogels,...




“der schrei eines sterbenden Vogels,
durch verstreute Stäbe aus Haar
eisige Stille lehnt
am schwankenden Arm der Melodie

der braune Tag läuft
mit nassen Füßen über Dächer
Regenfinger irren umher

einen Schatten im Schlepptau
durch die windtrunkene Straße
ging die Liebe fort”


- Halina Poswiatowska -






Lachen war eigentlich...





Lachen war eigentlich ein bisschen wie Weinen.
Es war eine seltsame Erschütterung; nur kam es
aus einer anderen Ecke des Gehirns.

- Rose Tremain -






„Es führt von der Poesie...





„Es führt von der Poesie kein direkter Weg ins Leben, 
aus dem Leben keiner in die Poesie.“

Hugo von Hofmannsthal (1874-1929)








Foto: Tim Maas










Verbringe jeden Tag...






Verbringe jeden Tag einige Zeit mit dir selbst.

- Dalai Lama -






Was ist das: Toleranz?





Was ist das: Toleranz?

Es ist die schönste Gabe der Menschlichkeit. 
Wir sind alle voller Schwächen und Irrtümer;
vergeben wir uns also gegenseitig unsere Torheiten.
Das ist das erste Gebot der Natur.

(Voltaire)






Kalendergedicht, Donnerstag 21.Februar 2019





Dem Chaos trank ich manchen Becher zu.
Es fuhr empor, es lachte und es weinte.
Dann sank es wieder zurück in alte Ruh.

Alfred Mombert (1872-1942)





Mittwoch, 20. Februar 2019

„Mir fehlt etwas, wenn ich keine Musik höre...





„Mir fehlt etwas, wenn ich keine Musik höre, 
und wenn ich Musik höre, fehlt mir erst recht etwas.
Dies ist das Beste, was ich über Musik zu sagen weiß.“

- Robert Walser -














Das Schicksal ...





Das Schicksal wird nicht außerhalb des Menschen
bestimmt, sondern entsteht aus ihm selbst.

Rainer Maria Rilke (1875-1926)









Foto: Tim Maas









stunde um stunde...





stunde um stunde wieder
eines lebens wurzeln finden
gedanken und räume ordnen
zu einem neu geschriebenen buch
aus den fallen der umwege
neue gelegenheiten verfolgen
dem dunklen ruf
von einem ungelebten geheimnis folgen
mich selbst nicht mehr täglich ausrichten
am maßstab dieser welt

- Hermann Josef Schmitz -
[aus: Eine Stelle zum Aufatmen suchen]






“Es soll nicht genügen...






“Es soll nicht genügen, dass man Schritte tue, die einst zum Ziele führen, 
sondern jeder Schritt soll Ziel sein und als Schritt gelten.”

- Johann Wolfgang von Goethe -






Kalendergedicht, Mittwoch 20.Februar 2019




EIFRIGE LOBESVERMAHNUNG


Ach lobe / lobe / lob' /ohn Unterlaß und Ziel /
Den / den zu loben du / O meine Seel / gebohren!
Zu diesen Engelwerk bist du von Gott erkohren /
Daß du ihm dienen sollst im Wunderpreisungsspiel.

Das kleine Scherflein ihm von jenem Weib gefiel:
dein' Einfalt klinget wohl in seinen Demut-Ohren.
Er geht sanftmütig um mit den zubrochnen Rohren.
Wie schwach und bebend' auch / beliebt ihm doch dein Kiel.

Rühm / weil du Othem hast; dieweil du ihn empfangen /
Allein zu diesem Ziel. Des Lebens unwehrt ist /
Aus dessen Mund so viel nicht Lob / als Luft gegangen.

Weil du der Gottes Güt ein Wunderspiegel bist /
So laß den Strahl zurück in deine Sonn gelangen.
Weil du dazu / so sei es auch von dir / erkiest!


Catharina Regina von Greiffenberg  (1633-1694)






Dienstag, 19. Februar 2019

Nordwärts





Nordwärts

"Mein Kopf liegt nach Süden
meine Füße nach Norden
seit ich fort bin
immer meine Füße nach Norden
zu dir.
Mein Körper
im Schlaf wie eine Kompassnadel
die ihren Norden sucht."

- HildeDomin -






twitter #JedeWocheEinFoto KW 08/19 "AUS DER DOSE"





Jedem Zauber wohnt ein Ende inne.

(Alexander Eilers) 







Foto: Tim Maas









"Leises Licht"





"Leises Licht"

Ganz leise leise leise geht das Licht
den ich nicht kenne geht an meiner Seite
wir gehen wie ein Paar auf schöne Art
und scheu schau ich ihm manchmal ins Gesicht

Das neben meinem liegen wird wenn alles Licht
gegangen ist wird er an meiner Seite
mich lieben wie ein Mann auf schöne Art
und treu und bleiben und es gibt ihn nicht.

(Ulla Hahn, 1985)






Die Basis des Optimismus...






Die Basis des Optimismus ist schiere Furcht.

Oscar Wilde (1854-1900)






Kalendergedicht, Dienstag 19.Februar 2019




VERHEISSUNG


Fühlst Du durch die Winternacht
Durch der kalten Sternlein Zittern
Durch der Eiskristalle Pracht
Wie sie flimmern und zersplittern,
Fühlst nicht nahen laue Mahnung,
Keimen leise Frühlingsahnung?

Drunten schläft der Frühlingsmorgen
Quillt in gährenden Gewalten
Und, ob heute noch verborgen,
Sprengt er rings das Eis in Spalten:
Und in wirbelnd lauem Wehen

Braust er denen, die's verstehen.
Hörst Du aus der Worte Hall,
Wie sie kühn und trotzig klettern
Und mit jugendlichem Prall
Klirrend eine Welt zerschmettern:
Hörst Du nicht die leise Mahnung,
Warmen Lebensfrühlings Ahnung?


Hugo von Hofmannsthal (1874-1929)






Montag, 18. Februar 2019

Bezaubernd der Tag...





Bezaubernd der Tag
der keinen Kalender kennt

- Werner Lutz -
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 









The Weight Of Us - Jeff Pianki













TAG





TAG

Noch immer bin ich dich nicht los.
Wenn ich mir nachts auch sagte:
Was war denn groß?
Es war doch nichts.
Du bist mit der Gewalt des Lichts
Gekommen, wenn es tagte.


- Eva Strittmatter -






Du lächelst -...





Du lächelst -
und die Welt verändert sich.

- Buddha -






Foto: Tim Maas








ABGEZÄHLT




 
ABGEZÄHLT

Der Tag, an dem du
ohne Schuhe ins Eis kamst,
der Tag, an dem
die beiden Kälber
zum Schlachten getrieben wurden,
der Tag, an dem ich
mir das linke Auge durchschoß,
aber nicht mehr,
der Tag, an dem
in der Fleischerzeitung stand,
das Leben geht weiter,
der Tag, an dem es weiterging.


Ilse Aichinger (1921-2016)






Tue, was du fürchtest...






Tue, was du fürchtest, und die Furcht wird dir fremd.

(Dale Carnegie)






Kalendergedicht, Montag 18.Februar 2019




FABRIKSTRASSE TAGS


Nichts als Mauern. Ohne Gras und Glas
zieht die Straße den gescheckten Gurt
der Fassaden. Keine Bahnspur surrt.
Immer glänzt das Pflaster wassernaß.

Streift ein Mensch dich, trifft sein Blick dich kalt
bis ins Mark; die harten Schritte haun
Feuer aus dem turmhoch steilen Zaun,
noch sein kurzes Atmen wolkt geballt.

Keine Zuchthauszelle klemmt
so in Eis das Denken wie dies Gehn
zwischen Mauern, die nur sich besehn.

Trägst du Purpur oder Büßerhemd –:
immer drückt mit riesigem Gewicht
Gottes Bannfluch: uhrenlose Schicht.


Paul Zech (1881-1946)






Sonntag, 17. Februar 2019

Phosphorescent - "Song for Zula"













Wenn du mich anrufst...





Wenn du mich anrufst

läutet das Telefon.

Die Lampe läutet.

Der Ofen läutet.

Das Zimmer läutet.

Die Aussicht vor meinem Fenster läutet.



Es läuten die Glocken der Befreiung

vom Warten.



( Peter Turrini )






Dies sind Drei stille Dinge:...






Dies sind
Drei stille Dinge:
Der fallende Schnee...die Stunden
Vor Sonnenaufgang...der Mund eines
Gerade Verstorbenen.

(Triade - Adelaide Crapsey)








Foto: Tim Maas










Nein, du vergißt mich nicht...





Nein, du vergißt mich nicht.

Verrat ist möglich. Doch Vergessen nein.

Zerstör mein Bild. Lösch mein Gesicht.

Da wo du bist, werde ich sein.



Niemals entkommst du meinen Worten.

Sie folgen dir nach als Gedicht

Noch zu den fernsten fernen Orten.

Versuch es: du vergißt mich nicht.


(Eva Strittmatter)






Wo Worte selten sind...





Wo Worte selten sind, haben sie Gewicht.

William Shakespeare (1564-1616)






Kalendergedicht, Sonntag 17.Februar 2019





ANONYM

Was überwältigst du mich so?
Zwei Jahre sind vergangen und vergessen
Hab ich dich mählich. Und war froh
Darüber. Unterdessen
War dies und das. Ein leises Ziehn
Zu dem und jenem. Nein, nicht Liebe.
Nach dir, ja, habe ich geschrien...
Im Traum ist mir manchmal, ich triebe
Mit dir zusammen durch die Zeit
Und Wärme ist und Herzlichkeit
Im Traum, im Traum...Und nun schreibst du,
Die Blumen blühn noch...Soll das heißen,
Du liebst mich noch? Sag mir, wozu
Willst du mich wieder an mich reißen?
Zu schlimm war das, was mir geschah.
Zu schlecht hast du an mir gehandelt.
Der ist nicht mehr, den ich einst sah.
Und ich, mein Freund, bin auch verwandelt.
Es konnte sein, doch war es nicht.
Es hat sich eben nicht ergeben...
Schon mich, mein Lieber, schreib mir nicht.
Und trachte mir nicht nach dem Leben.


Eva Strittmatter(1930-2011)






Samstag, 16. Februar 2019

Avec - Still













Nirgends ist, ...





Nirgends ist, wer überall ist.

- Seneca -






"Nun - wenn umkehren unmöglich...





"Nun - wenn umkehren unmöglich und stehenbleiben unerträglich ist, 
so bleibt kein anderer Ausweg als Vorwärtsschreiten.
Das ist auch kein so trauriger Ausweg."

(Alessandro Graf Manzoni)








Foto: Tim Maas









aber die fragen fragen nicht mehr...






aber die fragen
fragen nicht mehr
und nur
die fertigen antworten
geben den antworten
antwort

- erich fried -






"Gleichheit für alle – warum nicht?





"Gleichheit für alle – warum nicht? 
Aber wie macht man Dumme klüger und Kluge dümmer?"

- Paul Mommertz -






Kalendergedicht, Samstag 16.Februar 2019






Was mir gebricht an Geld und großen Schätzen,
Muß mein Gemüt und dessen güldne Ruh
Durch freies Tun und Frölichkeit ersetzen,
Die schleußt vor mir das Haus der Sorgen zu.
Ich will es geben
Um keine Welt,
Daß sich mein Leben
Oft ohne Geld
So freudig hält.

Simon Dach (1605-1659)






Freitag, 15. Februar 2019

Denn wir sind nur die Schale und das Blatt. ...





Denn wir sind nur die Schale und das Blatt.
Der große Tod, den jeder in sich hat,
das ist die Frucht, um die sich alles dreht.

(Rainer Maria Rilke)














AUSGESETZT IN DIE STILLE






AUSGESETZT IN DIE STILLE

Ausgesetzt in die Stille, zählt
das Herz die Zeit, ihm erscheint
das lautlos ruckhafte Schwinden
von Ziffern als Weltuntergang;
im Fenster das Licht von gestern.


(Erika Burkart)






Kann sein...





Kann sein
dass es Stillstandzeiten
Ohnmachtzeiten gibt
eine Herrschaft des Mondes
über den helllichten Tag

- Werner Lutz -







Foto: Tim Maas










Der Schnee ist wie ein Kissen weiß,...






Der Schnee ist wie ein Kissen weiß,
und wie die Unschuld hell und rein,
ein gelber Rucksack der Mondenkreis,
die Sterne ein Glas weißer Wein

Ich will am eisigen Wein der Sterne
mich zum ersten Mal entzünden,
den Mond in unentdeckter Ferne
fest auf meinen Rücken binden

- Petja Dubarowa -






Man trägt doch...





Man trägt doch eine eigentümliche Kamera im Kopfe, in die sich manche Bilder so tief und deutlich einätzen, während andere keine Spur zurücklassen.

Bertha von Suttner (1843-1914)





Kalendergedicht, Freitag 15.Februar 2019




DER ENGEL DER LIEBE (23)


Dann hat ein Laut mich selig aufgestört:
Hier bin ich, Lieber, nimm was dir gehört.
Und überflutet von so vollem Licht
Steh ich erschüttert und die Stimme spricht:

Wie zwang ich mich in fremde Schranken ein,
Vergiß, vergiß es, ich will bei dir sein,
Umschließe mich mit jedem Bund und Band,
Ich gebe dir mein Herz in deine Hand.

Und ich, betäubt und bebend, horche still,
Ob mir der Laut nicht weiter klingen will,
Leis-leises Tönen schwillt im Wind heran
Und wieder hebt die nahe Stimme an:

Ich bin behütet, wo ich dich nur seh,
Ich liebte dich und kannte dich von je.
Still war es rings, ein Vogel sang im Nest,
Ich hielt den Ton in meinem Herzen fest.


Henry von Heiseler (1875-1928)






Donnerstag, 14. Februar 2019

Berlinist - Hold Me Tight













Kopfhoch rufen...





Kopfhoch rufen
nach oben zeigen
das Oben ist das Zeigen
mit dem Zeigefinger wert

was sonst schwer und schlammig
an den Schuhen klebt
schwebt heute wolkenlos

- Werner Lutz -






(...) Eine Nacht aus Gold . . .




(...)

Eine Nacht aus Gold . . .
Sterne aus Nacht . . .
Niemand sieht uns.

Kommt das Licht mit dem Grün,
Schlummern wir.
Nur unsere Schultern spielen noch wie Falter.

(Else Lasker-Schüler)







Foto: Tim Maas










Liebe herrscht weder,...






Liebe herrscht weder,
noch ist sie unbewegt;
auch ist sie ein wenig nachlässig
gegenüber der Moral.

Alfred North Whitehead (1861-1947)






Einsame Ampeln...






Einsame Ampeln haben das längste Rot.

Fritz-J. Schaarschuh (*1935)






Kalendergedicht, Donnerstag 14.Februar 2019





GEHEIMNIS III


Dort, wo du bist: schreib ein paar Worte
In deinen Himmel. Schick sie her.
Ich fang sie auf an meinem Orte
Und sende sie, von Liebe schwer,
Zu dir zurück. In dieser Zeile
Wird unser Leben sich verbinden:
Geheimnis, das ich mit dir teile.
Und keiner wird die Lösung finden
Für dieses Rätsel im Gedicht.
Die andern sollen dran erblinden:
So sehr sei es gemacht aus Licht.


Eva Strittmatter (1930-2011)






Mittwoch, 13. Februar 2019

DIE EWIGKEIT




DIE EWIGKEIT


Sie sagen, dass wir uns im Tode nicht vermissen
Und nicht begehren, dass wir hingegeben
Der Ewigkeit, mit anderen Sinnen leben
Und also nicht mehr von einander wissen,

Und Lust und Angst und Sehnsucht nicht verstehen,
Die zwischen uns ein Leben lang gebrannt,
Und so wie Fremde uns vorübergehen,
Gleichgültig Aug dem Auge, Hand der Hand.

Wie rührt mich schon das kleine Licht der Sphären,
Die wir ermessen können, eisig an,
Und treibt mich dir ans Herz in wilder Klage.

O halt uns Welt im süßen Licht der Tage,
Und lass so lang ein Leben währen kann
Die Liebe währen.


(Marie Luise Kaschnitz)














Florian Christl - Close Your Eyes













Horche nicht hinter die Dinge...





Horche nicht hinter die Dinge.

Zergrüble dich nicht.

Suche nicht nach dir selbst.

Du bist nicht!

Du bist der blaue,

verschwebende Rauch,

der sich aus deiner Zigarette ringelt,

der Tropfen,

der eben aufs Fensterbrett fiel,

das leise, knisternde Lied,

das durch die Stille deiner Lampe singt.



( Arno Holz - Blaue Gedichte )






Große Dinge...





Große Dinge werden durch Mut errungen, größere durch Liebe, 
die größten durch Geduld.

Peter Rosegger (1843-1918)
 
 
 
 
 
 


Foto: Tim Maas










"Ich träumte die vergangene Nacht...






"Ich träumte die vergangene Nacht, daß ich mich an einem Strand befände. Es war bald der sonnige Badestrand von Ascona, bald die zerklüfteten Felsen des Val Bavone. Ich hörte die Stimme meiner Freunde, die sich entfernten. Ich bliebt alleine am Strand, und während es zu dunkeln anfing, schrieb mein Zeigefinger, wie geführt, das Wort 'heureuse' in den Sand; während ich schrieb, sah ich das Wort sich in den Stein eingraben. Ein dumpfes, seufzendes Geräusch ließ mich aufschauen. Es war ein Felsblock, der sich loslöste und mich bedrohte. Da ging mir durch den Sinn, daß, wenn der Felsen mich nun zerschmettern würde, von mir nur das Wort 'heureuse' übrig bliebe."

Sophie Taeuber-Arp (1889-1943)