Sonntag, 31. Juli 2016

am ende des meeres...




 
am ende des meeres

atmest du eine sonne
wolken vögel gestirne
trägt der wind
dir zu

am ende des meeres
beginnt der himmel
mein
immer
du

© Rea Revekka Poulharidou









Weil ich weiß...





Weil ich weiß, 
was abwesend ist, blicke ich mit anderen Augen auf das, was da ist. 
Wer den Schmerz nicht kennt, versteht mein Glück nicht.

(Sami Kuci)








BÜCHER...





BÜCHER

Alle Bücher dieser Welt
Bringen dir kein Glück,
Doch sie weisen dich geheim
In dich selbst zurück.

Dort ist alles, was du brauchst,
Sonne, Stern und Mond,
Denn das Licht, danach du frugst,
In dir selber wohnt.

Weisheit, die du lang gesucht
In den Bücherein,
Leuchtet jetzt aus jedem Blatt -
Denn nun ist sie dein.


(Hermann Hesse)
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 
 

die stimmen der vögel...




die
stimmen der vögel
das erste vom
tag

was
brauchen wir kleider
in den laken

die hüften
sind voller hände
und leiser
atem

wir haben zeit

wir
sind die überlebenden
der nacht

off


(ichbinnurneugierig)








Kalendergedicht, Sonntag, 31. Juli 2016



 
ZUEIGNUNG AN DIE GELIEBTE LANDSCHAFT


Nun steigen wieder die geliebten Hügel
Allmählich auf am Rand des weiten Blaus,
Darüberhingewiegt auf zartem Flügel
Ruht Wolke neben Wolke freundlich aus,
Der Kutscher hält, springt ab, versorgt  die Zügel,
Mit trauten Fenstern grüßt das alte Haus,
Gastlich bereit dem eingekehrten Wanderer,
Andacht umfängt mich, und ich bin ein Andrer.


Anton Wildgans (1881-1932)









Der Traum...




Der Traum war mir immer voraus.
Ihn einzuholen,
einen Augenblick im Einklang mit ihm zu leben,
war das Wunder.
 
(Anais Nin)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Samstag, 30. Juli 2016

du weißt...





du weißt

wo
schiffe sind
ist auch ein randloser
himmel

weiße stimmen
erzählen sich heiser davon
dass salz alle wunden
heilt

und

morgen
ist ein anderes wort
für vielleicht


(ichbinnurneugierig)








in den nächten...





in den nächten
in ihren leisen tönen
zähle ich erinnerungen
wie andere schäfchen zählen

© Rea Revekka Poulharidou







Foto: Tim Maas








So wie es war




 
SO WIE ES WAR

Wir trafen aufeinander
unvorbereitet
waren wir mutig oder war es
Selbstverständlichkeit?
Wir sollten nicht fragen
warum es war
wir wissen nur, WIE es war
und du weißt es anders als ich.
Ich will deine Gedanken nicht erraten –
vielleicht aus Furcht ...
Für mich kann ich nur sagen:
ich glaube, es war selbstverständlich
daß wir uns trafen –
so wie es war.


(Jörn Pfennig)








DAS SIND DIE STUNDEN




 
DAS SIND DIE STUNDEN

Das sind die Stunden, da ich mich finde.
Dunkel wellen die Wiesen im Winde,
allen Birken schimmert die Rinde,
und der Abend kommt über sie.

Und ich wachse in seinem Schweigen,
möchte blühen mit vielen Zweigen,
nur um mit allen mich einzureigen
in die einige Harmonie…

(Rainer Maria Rilke)








Foto: Tim Maas








MIT LEISEM FLÜGELSCHLAG





MIT LEISEM FLÜGELSCHLAG


mit leisem flügelschlag

dieser vogel

in meinem fenster

traumfern

flaumnah

ein sommergruss

verwundert

wie ich

ich liebe ihn

und frage nicht

ob er mich liebt



(rose ausländer)








Kalendergedicht, Samstag, 30. Juli 2016




DIE MUSCHEL

In der Muschel schlummert ein Sang
Von Atlantis, der wunderbaren
Insel, die lang vor Jahren
Von den Harfentönen des Glückes klang.

Streif sie nicht achtlos im Gehen;
Hebe sie scheu an dein Ohr:
Was deine Jugend an süßen Wünschen verlor,
Hörst du klagen aus ihrem Wehen.


Richard Schaukal (1874-1942)








Morgen wirst du ein anderer sein...





Morgen wirst du ein anderer sein
und leben in einem anderen Land
du wirst eine Sprache sprechen
die dich mutig macht
du wirst geduldig warten
bis der Fluss wieder erwacht
von der Quelle bis zur Mündung

(Werner Lutz)








Foto: Tim Maas








Freitag, 29. Juli 2016

Es ist gleichgültig...



 
Es ist gleichgültig, was man als junger Mensch schreibt, ebenso
wie es fast gleichgültig ist, was man sonst unternimmt. Die scheinbar
nutzlosesten Zerstreuungen können sogar ein Vorwand innerer
Sammlung sein.


(Rainer Maria Rilke)








Verflogene Sehnsucht




 
Verflogene Sehnsucht

Die Frühlingsnacht naht lind und lau
Durch träumende Gelände.
Wie süßer Atem einer Frau
So lösungsmild, so zart, so lau
Sind ihre weichen Hände.

Die tragen Deine Sehnsucht fort,
Du fühlst sie Dir entschwinden ...
Nun weißt Du nicht ihr Ziel und Wort,
Suchst Deine Sehnsucht fort und fort
Und kannst sie nimmer finden ...

(Stefan Zweig 1881-1942)








Niemand...





Niemand sucht den Duft der Sterne 
hinter der Nacht.

(Hermann Josef Schmitz)









Foto: Tim Maas









Zwischen...




Zwischen Sinnenglück und Seelenfrieden 
bleibt dem Menschen nur 
die bange Wahl.

(Johann Christoph Friedrich von Schiller)








Sehnsucht gab mir ihr weites Kleid




Sehnsucht gab mir ihr weites Kleid,
Seine Naht ist lang wie die Ewigkeit.
Streicht die Sehnsucht um das Haus,
Trocknen die plaudernden Brunnen aus;
Die Tage kommen wie Tiere daher,
Du rufst ihre Namen, sie atmen nur schwer;
Du suchst dich im Spiegel, der Spiegel ist leer,
Hörst nur der Sehnsucht Schritt,
Du selbst bist nicht mehr.

(Max Dauthendey)








Kalendergedicht, Freitag, 29. Juli 2016




 
VOM GRUND DER SCHLUCHT


Vom Grund der Schlucht steigt auf des
Ginsters Wand,
Ein goldnes Meer, von leichtem Wind bewegt,
Zum Kamm der Hügel, wo der weite Rand
Das ungeheure Blau des Himmels trägt.



Georg Heym (1887-1912)








man sagt...





man sagt

du fühlst dich einsam

wenn jemand

an dich denken

könnte

/

es aber

nicht tut

.



(thepoemist)






 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Donnerstag, 28. Juli 2016

Ist es nicht unglaublich...





Ist es nicht unglaublich, 
dass wir maßlos unter unserer Einsamkeit leiden 
und uns doch mit einer brennenden Sehnsucht wünschen, 
allein zu sein ?

(Heinrich Böll)








Durch Spiegelung Entfachtes





Durch Spiegelung Entfachtes

Ich oder
ein Wanderer

Ich bin umgezogen
wohne jetzt in meinen Schuhen
meine Adresse wechselt
mit jedem Schritt.

 
(Kurt Aebli)








Foto: Tim Maas









Von einem Unverheirateten...




Von einem Unverheirateten erwartet man nicht, daß er glücklich
ist - wenn er aber heiratet, sind die Menschen aufs höchste erstaunt,
wenn er es nicht ist.


(Rainer Maria Rilke)








und wieder einmal...





und wieder einmal
ist es die hoffnung
die den wind
am abend beruhigt

und wieder einmal
ist es die stille
die mir von dir erzählt
und alles zum stürmen

bringt

© 2016 — Freitag ist Rosa








im Lusamgarten





im Lusamgarten

die Worte
brüchig wie viel geknicktes
Papier

wir legen Sätze daraus
auf alte Steine

es
könnten
Blumen sein
wenn man von weitem
schaut

in schattigen
Farben


(caeliriva)








Kalendergedicht, Donnerstag, 28. Juli 2016




SONNENSCHEIN

Wenn auf der spiegelklaren Flut
Der goldne Strahl der Sonne ruht,
Springt`s Fischlein selig in die Luft
Und schnappt nach rotem Abendduft,
Und es kräuseln sich plätschernd die Wogen.


Wilhelm Müller (1794-1827)








Wir lieben nicht...




 
Wir lieben nicht, um den anderen stark oder schön zu machen.
Das ist jeder Mensch bereits.
Wir lieben, um den anderen an seine wahre Schönheit zu erinnern.
Wir lieben, um irgendwann sagen zu können:
„Und wir erkannten einander.“

(Veit Lindau)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Mittwoch, 27. Juli 2016

Eines Tages wache ich auf...




 
Eines Tages wache ich auf
und die Wunden sind verheilt,
Sonne und Regen, Licht und Schatten,
sind dann anders verteilt.

Eines Tages wache ich auf
und bin weiser als ich es jemals war,
ich träume mit geöffneten Augen
und sehe dennoch klar.

Eines Tages wache ich auf
und atme nur noch Leidenschaft,
aus jeder Tat und jedem Wort
wächst ständig neue Kraft.

Eines Tages wache ich auf
und bin größer als jemals zuvor,
ich halte mehr in Händen
als ich einst verlor.

Eines Tages wache ich auf
und der schönste Ort ist hier,
nach all den langen, harten Nächten
liegst du endlich neben mir…


(Felix Blum) 








Kalendergedicht, Mittwoch, 27. Juli 2016



 
AUS: ERSTES BEGEGNEN - XXVI


Gleich einer Planze ist dein Seelenleben,
Die sich zur Blüte niemals wird entfalten,
Wenn nicht vertraute Elemente walten,
Wenn Erde nicht und Sonne Nahrung geben.

So lenkt verschwiegener Glaube mein Bestreben,
In meinem Kreis dich innig festzuhalten,
Aus deiner Einsamkeit, der dunklen, kalten,
Zu Licht und Wärme dich emporzuheben.


Rosa Mayreder (1858-1938)









Nichts geht verloren...





Nichts geht verloren, 
alles gibt sich weiter.

(Rainer Maria Rilke)








Foto: Tim Maas









Dienstag, 26. Juli 2016

MICH FÜHRTE IN DIE WOLKE...





MICH FÜHRTE IN DIE WOLKE


Mich führte in die Wolke mein Geschick -
Wir teilten säumerisch ein erdenschweres Glück.

Ich dachte viel an Julihimmel -
Du sahst das  Blau in meinem Blick.

Und schwebten mit den Vögeln auf
Ein Silberrausch…



(Elsa Lasker Schüler)








Dann begriff ich...





Dann begriff ich, 
dass nicht die Dinge verzaubert waren, 
der Zauber lag in deinem Verhältnis zu den Dingen,
Magie existiert im Spiegelbild.

(Sami Kuci)








Foto: Tim Maas









wenn für einen augenblick...





wenn für einen augenblick die blätter nach oben fielen
wenn vögel körner suchten im träumenden gras
wenn die blumen am fenster ein lied sängen
wenn das lied sehnsucht und begehren
wenn die fische
wenn die fische aufstiegen
wenn der blaue morgen im fenster bliebe
wenn deine augen. meine hände
wenn deine hände. meine augen
wenn die körner im traum des grases
wenn deine hände auf meinen händen. wenn sehnsucht
wenn die blätter. wenn das lied. wenn begehren
wenn das blau des körpers aus unseren händen fiele. nach oben
wenn der morgen es hielte. für einen augenblick

 
© Rea Revekka Poulharidou 








Kalendergedicht, Dienstag, 26. Juli 2016





EIN ABENDBILD


Dort unter der breiten Linde,
Dort unter der  steinernen Bank
Wehn kühl die Abendwinde
Und der Born giebt frischen Trank

Wir haben des Tages Lasten
Getragen in Sonnenglut,
Nun wollen wir feiern und rasten
Und singen wohlgemuth.



August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)








Wohin zieht die Zeit...




    Wohin zieht die Zeit    
wo läuft sie aus
am Ende der Tage
in ihr Schlepptau
eingebunden der Mensch
mit freier Stirn
sich zu stellen der Zeit

 
(Annemarie Schnitt)
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Montag, 25. Juli 2016

Um ein Weniges nur ...




Um ein Weniges nur übertreibend, möchte ich sagen, daß wir
nicht sind; wir bilden uns fortwährend neu und anders in dem
Durchkreuzungspunkt aller Einflüsse, die in unser Daseinsgebiet
hineinreichen.


(Rainer Maria Rilke)







MANCHMAL TRIFFT MAN EINEN...





MANCHMAL TRIFFT MAN EINEN


Manchmal trifft man einen, der ist wie ein Licht,
Und man trifft ihn nicht zweimal im Leben.
Und man weiß: nur einmal dieses Gesicht.
Und man denkt: das darf es nicht geben,
Dass man einen Menschen verlor,
ehe man ihn gefunden,
Und kein Danach und kein Davor…
Dieses Licht ist für immer entschwunden.
Geheimer Speicher Erinnerung,
Empfangs- und Sendezentrale:
In einer anderen Dämmerung
Verwandelt er die Signale,
Die auf uns gekommen von einem Gesicht,
Das wir nur einmal gesehen,
Zurück in Wärme und in Licht.
Und das hilft uns die Nacht überstehen.


(Eva Strittmatter)








Müssen wir...





Müssen wir traurig sein über unsere Traurigkeit –
ist sie nicht auch eines der größten Gefühle?

(R. Bloch)







Foto: Tim Maas









Man verliebt sich oft nur...





Man verliebt sich oft nur in einen Zustand des anderen, 
in seine Heiterkeit oder in seine Schwermut.
Schwindet dieser Zustand dann, 
so ist damit auch der feine besondere Reiz jenes Menschen geschwunden.
Daher die vielen Enttäuschungen.

(Christian Morgenstern)








Kalendergedicht, Montag, 25. Juli 2016




ZUFALLSWITZ


Die Heuschreck`hüpft hier von dem Rain
In einer Distel starre Nadel
Zu langsam herber Todespein.
Natur, erlaube mir den Tadel:
Du bist nothwend`ger Schmerzen Sitz;
Wozu noch grimmen Zufallswitz?


Karl Mayer (1786-1870)








Ich höre die Stille rauschen...




Ich höre die Stille rauschen
Und sehe die Dunkelheit sprühn,
Vor meinen träumenden Augen
Purpurne Mohnblumen blühn.


(Hermann Löns)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Sonntag, 24. Juli 2016

Ich krieche den ganzen Tag...




Ich krieche den ganzen Tag in den Dickichten meines Lebens herum
und schreie wie ein Wilder und klatsche in die Hände -
Sie glauben nicht, was für haarsträubendes Getier da auffliegt.


(Rainer Maria Rilke)








Oftmals hab ich nachts im Bette...




 
Oftmals hab ich nachts im Bette
schon gegrübelt hin und her,
was es denn geschadet hätte.
wenn mein Ich ein andrer wär.

Höhnisch raunten meine Zweifel
mir dir tolle Antwort zu:
Nichts geschadet, dummer Teufel,
denn der andere wärest du!

Hilflos wälzt ich mich im Bette
und entrang mir dies Gedicht,
rasselnd mit der Sklavenkette,
die kein Denker je zerbricht.


(Frank Wedekind)








Foto: Tim Maas









Ein Händeineinanderlegen...





Ein Händeineinanderlegen,
ein langer Kuß auf kühlen Mund,
und dann: auf schimmerweißen Wegen
durchwandern wir den Wiesengrund.
Durch leisen, weißen Blütenregen
schickt uns der Tag den ersten Kuß, -
mir ist: wir wandeln Gott entgegen,
der durchs Gebreite kommen muß.

(Rainer Maria Rilke)








So hebt mich die Zeit





So hebt mich die Zeit

Ich gehe in meiner
gespiegelten Welt
fußlos spazieren

fliege
wie einst als Kind
von Stern zu Stern
und hole mir manchen
ins Bett

Mit dem Mann im Mond
habe ich mich befreundet
wir spielen Prinz und Prinzessin

So hebt mich die Zeit
Jahr um Jahr
aus dem nüchternen Sattel


(Rose Ausländer)









Kalendergedicht, Sonntag, 24. Juli 2016





EIN ABEND

In Purpur und Golde der Himmel glüht;
Die Quelle, sie murmelt ihr ewiges Lied,
Die Matte, sie breitet ihr holdes Grün;
Vergißmeinicht am Bache blühn.

Vom Lager am Bach auf elastischem Grund
Durchschweigt mein Blick das edenische Rund;
Trinkt heiß die gewaltige Sonnenpracht,
Die des Abends Neige so milde macht.


Mathilde Kaufmann (1835-1907)








twitter #BuchSatzPhoto #2016Satz15 "Er mußte an die Zeit denken, als er mit Freunden im Sommer durch Europa gereist war."






...doch egal wohin wir reisen, 
alle Wege führen in die eigene Gedankenwelt zurück.

© Helmut Glaßl 








Foto: Tim Maas









Samstag, 23. Juli 2016

TÄUSCHUNG





TÄUSCHUNG


Getäuscht hat sich die Taube.
Sie hat sich getäuscht.

Um nach Norden zu fliegen, flog sie nach Süd.
Sie glaubte der Weizen sei Wasser.
Sie hat sich getäuscht.

Sie glaubte das Meer sei der Himmel,
die Nacht sei früher Morgen.
Sie hat sich getäuscht.

Die Sterne seien Tau,
die Hitze Schneegestöber.
Sie hat sich getäuscht.

Dein Rock sei deine Bluse,
in deinem Herzen sei ihr Nest.
Sie hat sich getäuscht.

(Sie schlief am Ufer. – Du
auf der Spitze eines Zweiges.)

 
(Rafael Alberti)








das verlangen...





das verlangen

nach dem
was vom himmel
fällt

der
regen

die
sterne

die
ungehorsamen
engel

 
(caeliriva)








Kalendergedicht, Samstag, 23. Juli 2016





IM SEE

Weiß auf bläulichen Fluten spielt
Nachmittäglich der Sonnenschein;
Eh´ die Dämmerung niedersinkt,
Steig hinab ich zum Bade.

Lieblich gurgelt die Welle sacht,
Summt mir Lieder im Traume vor,
Tanzt und schäkert an mir hinauf,
Faßt mich scherzend am Haar.



Emilie Ringseis (1831-1895)








Die...





Die Tränen der Dinge.

(Vergil)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Freitag, 22. Juli 2016

meine arme...




meine arme
reichen nicht bis nach gestern

aber meine gedanken
streichen vorsichtig über dein gesicht


© 2016 — Freitag ist Rosa








was ist schon zeit?




was ist schon zeit?
ich bin dir nah. noch immer

in den stunden der albträume
& über die zeiten hinweg

denn ich weiß. auch du
bist schlaflos

wenn nicht heute. dann
in einer anderen nacht

die augen. auf dem atem
eines anderen körpers

neben
dir

© Rea Revekka Poulharidou








GANZ AM ANFANG SIND WIR





GANZ AM ANFANG SIND WIR


Ganz am Anfang sind wir,
siehst du.
Wie vor Allem.
Mit Tausend und einem Traum
hinter uns und
ohne Tat.


Ich kann mir kein seligeres Wissen denken,
als dieses Eine:
daß man ein Beginner werden muß.
Einer der das erste Wort schreibt hinter einen
jahrhundertelangen
Gedankenstrich.


(Rainer Maria Rilke)








Foto: Tim Maas









Und auf einmal steht es neben dir




 
Und auf einmal steht es neben dir

Und auf einmal merkst du äußerlich:
Wieviel Kummer zu dir kam,
Wieviel Freundschaft leise von dir wich,
Alles Lachen von dir nahm.
Fragst verwundert in die Tage.
Doch die Tage hallen leer.
Dann verkümmert Deine Klage …
Du fragst niemanden mehr.
Lernst es endlich, dich zu fügen,
Von den Sorgen gezähmt.
Willst dich selber nicht belügen
Und erstickst, was dich grämt.
Sinnlos, arm erscheint das Leben dir,
Längst zu lang ausgedehnt. – – –
Und auf einmal – –: Steht es neben dir,
An dich angelehnt – –
Was?
Das, was du so lang ersehnt.


(Joachim Ringelnatz)









Kalendergedicht, Freitag, 22. Juli 2016



 
 
REGEN UND THRÄNEN


Daß es jüngst geregnet hat,
Zeigt der Tropfe auf dem Blatt,
Und wenn naß die Augen sind,
Sieht man, daß geweint ein Kind.

Blatt saugt bald die Tropfen ein,
Bald wird's Auge trocken sein.
Scheint die Sonne wieder klar,
Weiß man nicht, daß Regen war.



Justinis Kerner (1786-1862)









In der Stille...




In der Stille wachsen 
und bereit werden für 
Neues.

(Hermann Josef Schmitz)
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 

Donnerstag, 21. Juli 2016

bei Nacht...




bei Nacht
geht dir der Atem
zu schwer

du sitzt aufrecht
abgestoßen
vom Schlaf

deine Wörter
gratwandern
auf den Lippen

viel tun kann man da
nicht festhalten
ist zu fest
 

(Sascha Garzetti)








Ich liebe...





Ich liebe den Wind
die rauschenden runden Weiden führen irgendwohin
eine Mohnblume wartet auf mich


(Friederike Mayröcker)
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas










Dich berühren...





Dich berühren, wie ich einen Kirschzweig aufhebe, den der Sturm vom Ast schlug.
Zärtlichkeit, die sich verspätet, Küsse auf weinende Augen.

(Sami Kuci)








Im Sommer...





Im Sommer übersehen,
im Herbst geahnt,
im Winter gewusst:
Der Frühling währt kurz...

(Gabriella Leone-Eckhardt)








Foto: Tim Maas









Kalendergedicht, Donnerstag, 21. Juli 2016





IN SOMMERLUFT UND SONNENSCHEIN


Im Sonnenscheine wandre ich,
Die linde Luft umsäuselt mich,
Und tausend Vögel singen;
Wie möcht' ich da wol traurig sein,
Wenn Sommerluft und Sonnenschein
Mir ihre Grüße bringen?

Die Trauer an der Sonn' zergeht,
Der Seufzer in dem Wind verweht,
Und alle Sorgen fliehen;
Lebe wol, mein Schatz! und denke mein,
In Sommerluft und Sonnenschein
Will ich die Welt durchziehen!


Julius Rodenberg (1831-1914)








ICH BIN SEHR SANFT





ICH BIN SEHR SANFT

Ich bin sehr sanft nenn
mich Kamille
meine Finger sind zärtlich baun
Kirchen in deiner Hand meine Nägel
Flügelschuppen von Engeln liebkosen ich bin
der Sommer der Herbst selbst der Winter im Frühling
möchte ich bei dir sein du
zeigst mir das Land wir gehn
von See zu See da braucht es
ein langes glückliches Leben
die Fische sind zwei
die Vögel baun Nester wir
stehn auf demselben Blatt

(Sarah Kirsch)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Mittwoch, 20. Juli 2016

Mit einem Dach...


                                                          
 
 
Mit einem Dach und seinem Schatten dreht
sich eine kleine Weile der Bestand
von bunten Pferden, alle aus dem Land,
das lange zögert, eh es untergeht.


(Rainer Maria Rilke)









Foto: Tim Maas











/ halme im wind...





/ halme im wind

wir neigen
uns zu

ein
nicken, eine

berührung

etwas
blütenstaub
fällt

etwas
neues beginnt
.

 
(thepoemist)







Foto: Tim Maas










Es ist...





Es ist das große Traurige,
daß eine Seele stets allein ist.

(Jens Peter Jacobsen)








Kalendergedicht, Mittwoch, 20. Juli 2016





DIE SCHLANKE WASSERLILIE

Die schlanke Wasserlilie
Schaut träumend empor aus dem See;
Da grüßt der Mond herunter
Mit lichtem Liebesweh.

Verschämt senkt sie das Köpfchen
Wieder hinab zu den Well'n --
Da sieht sie zu ihren Füßen
Den armen blassen Gesell'n.


Heinrich Heine (1797-1856)








die vergangenheit...





die vergangenheit

hat keine antworten

//

sie stellt nur

die richtigen fragen

.

(thepoemist)
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas