Donnerstag, 31. März 2016

Guten Morgen, Mitternacht





GUTEN MORGEN, MITTERNACHT


Guten Morgen - Mitternacht -
Ich komme heim -
Müde ward der Tag von mir -
Nicht ich von ihm.

Sonnenschein war sel`ger Ort -
Ich hätt gern gewacht -
Doch der Morgen wollt`mich nicht -
Nun denn - Tag - gut` Nacht!

Zuschaun darf ich doch - nicht wahr -
Wenn der Osten glüht?
Die Hügel haben dann den Zug -
Der das Herz entführt -

Du bist nicht so schön - Mitternacht -
Ich wählte - Tag -
Doch - nimm du das Mädchen nun -
Das er nicht mag!


(Emily Dickinson)









Das der Druck...




Das der Druck unseres Blutes sich fortwährend wandeln muß nach
dem Gegendruck der ganzen Welt, sieh, und der Körper hälts aus,
und das Herz drinnen ist allein gegen alles übrige.


(Rainer Maria Rilke)









Kalendergedicht, Donnerstag, 31. März 2016





DITHYRAMBE

Liebe das Leben! Es bietet vom Besten
Reichlich dir dar!
Pflücke die Blumen eh sie verblühen,
Greif nach den Sternen eh sie verglühen
Werde zu spät nicht Versäumtes gewahr.
Es schwindet die Jugend des Menschen so schnelle
Und neidisch begräbt sie des Zeitstromes Welle.


Caroline Häusser (1856-?)









Kein Innehalten...




Kein Innehalten im Näherrücken
des Undurchschaubaren.
.
Es war schön hier.
Ich werde vergessen.

(Dagmar Nick)










Foto: Tim Maas










Wen es trifft...




Wen es trifft,
der wird aufgehoben
wie von einem riesigen Kran
und abgesetzt
wo nichts mehr gilt,
wo keine Straße
von Gestern nach Morgen führt
und der Boden
aus hitzigem Eisen ist...


(Hilde Domin)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Mittwoch, 30. März 2016

Frühling




 
FRÜHLING


Nun ist er endlich kommen doch
In grünem Knospenschuh;
»Er kam, er kam ja immer noch«,
Die Bäume nicken sich's zu.

Sie konnten ihn all erwarten kaum,
Nun treiben sie Schuss auf Schuss;
Im Garten der alte Apfelbaum,
Er sträubt sich, aber er muss.

Wohl zögert auch das alte Herz
Und atmet noch nicht frei,
Es bangt und sorgt: »Es ist erst März,
Und März ist noch nicht Mai.«

O schüttle ab den schweren Traum
Und die lange Winterruh':
Es wagt es der alte Apfelbaum,
Herze, wag's auch du.


(Theodor Fontane)









Wie sich die gestern...




Wie sich die gestern noch stummen
Räume der Erde vertonen;
nun voller Singen und Summen:
Rufen und Antwort will wohnen.


(Rainer Maria Rilke)









Foto: Tim Maas










und wir fürchteten uns...




und wir fürchteten uns vor dem Bösen
die Tage waren aus Johannisbeeren
und die Nächte zerkräht

(Jan Skacel)
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Was sich...




Was sich am tiefsten
in Dir verbirgt,
offenbart am meisten
über Dich

(Wort-freund)








Foto: Tim Maas









gerade gestern...




gerade gestern dachte ich
wie schwer doch alles sei

dabei ist alles nur ein wimpernschlag
nur ein wimpernschlag

(Otto Lenk)









Kalendergedicht, Mittwoch, 30. März 2016





FRÜHLINGSABEND

Der Frühling kam, die Lüfte gehen so milde,
Der Sämann schreitet singend durchs Gefilde,
Um ferne Höhn ein ahnend Leuchten zieht:
Und, wann sich weicherns Dufts die Wolken röten,
Schwebt hoch vom Ulmbaum ein elegisch Flöten:
Das ist der Amsel tiefes Abendlied.


Felix Dahn (1834-1912)









"... und dennoch, Seele, sei gewiß...





 "... und dennoch, Seele, sei gewiß:
Wie eng sich auch die Fesseln schlingen,
es wird der Lenz, das Sonnenkind,
dem Schoß der Erde sich entringen ..."


(Clara Müller-Jahnke)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
  

Dienstag, 29. März 2016

Der helle Himmel...



 
Der helle Himmel hat sich schräg zur Wand gestellt.
Es ist wie ein Gebet zur Leere.
Und die Leere kehrt uns ihr Gesicht zu und flüstert:
„Ich bin nicht leer, ich bin offen.“

(Tomas Tranströmer)
 
 
 
 
 
 
 
 

Immer sollte...





Immer sollte in uns die Stille sein,
die nach der Ewigkeit hin offen steht
und horcht.

(Romano Guardini)











Bild und Gif: Tim Maas











Frühzeitiger Frühling





FRÜHZEITIGER FRÜHLING


Tage der Wonne,
Kommt ihr so bald?
Schenkt mir die Sonne
Hügel und Wald?

Reichlicher fließen
Bächlein zumal,
Sind es die Wiesen?
Ist es das Thal?

Blauliche Frische!
Himmel und Höh!
Goldene Fische
Wimmeln im See.

Buntes Gefieder
Rauschet im Hain;
Himmlische Lieder
Schallen darein.

Unter des Grünen
Blühender Kraft,
Naschen die Bienen
Summend am Saft.

Leise Bewegung
Bebt in der Luft,
Reizende Regung
Schläfernder Duft.

Mächtiger rühret
Bald sich ein Hauch,
Doch er verlieret
Gleich sich im Strauch.

Aber zum Busen
Kehrt er zurück,
Helfet, ihr Musen,
Tragen das Glück!

Saget seit gestern
Wie mir geschah?
Liebliche Schwestern,
Liebchen ist da!


(Johann Wolfgang Goethe)









Ich habe nie begriffen...




Ich habe nie begriffen, wie eine wirkliche, elementare, 
durch und durch wahre Liebe unerwidert sein kann; 
da sie doch nichts anderes ist, als der dringende selige Anspruch 
an einen Andern, schön, reich, groß, innig, unvergeßlich zu sein; 
die an ihn heranflutende Verpflichtung, etwas zu werden.


(Rainer Maria Rilke)








Letzte Bilder




 
LETZTE BILDER


Die Gewitterwand und der Stau
der vertrauten Bilder dahinter
samt den Schamanen mit ihren
abgenutzten Beschwörungsformeln.
Kein Innehalten im Näherrücken
des Undurchschaubaren.
Der erwartete Scherwind, der dich
beiseite fegt wie ein Papier,
das du beschriften wolltest.

Es war schön hier.
Ich werde vergessen.


(Dagmar Nick * 1926)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

morgen




morgen

es ist anders
das licht

am morgen
ohne dich


(Rea Revekka Poulharidou)








Kalendergedicht, Dienstag, 29. März 2016





IMMER NOCH MEHR

Die Welt ist gar so wunderschön
In dieser Frühlingssonne,
Mein Herz ist voll zum Übergehn
Von Frühlingslicht und Wonne.

Die Luft ist gar so süß und still,
Wie träumend von künftigen Dingen -
Sie weiß nicht, was noch werden will,
Wenn alle Knospen springen.


Anna Karbe (1852-1875)









Das Erscheinen...





Das Erscheinen dieser Gesichter in der Menge;
Blütenblätter an einem nassen, schwarzen Ast.

(Ezra Pound)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Montag, 28. März 2016

Der Anfang





DER ANFANG

Der Anfang kommt, wenn du wieder allein bist
Die Häuser sind dann dunkler als Höhlen
Und die Straße ist länger als das Leben
Und die Stadt ist größer als die Welt

Der Anfang ist eine Rose auf dem Pflaster
Der Anfang ist der Nebel überm Asphalt
Der Anfang der Liebe ist das Wort ich
Der Anfang der Liebe ist Angst

Der Anfang ist ein rostiges Messer
Der Anfang ist eine offene Wunde
Der Anfang ist eine Wölfin und wenn du kein Wolf bist
Dann ist die Stunde des Anfangs schon die Stunde des Endes

Der Anfang kommt, wenn du wieder allein bist
Deine Angst ist dein zweiter Schatten
Deine Liebe ist dein zweites Leben
Und die Nacht ist plötzlich weiter als die Welt


(Jörg Fauser)









Je mehr...




Je mehr Liebe man gibt,
desto mehr besitzt man davon.

(Rainer Maria Rilke)








Ich liebe Sie...




Ich liebe Sie, wie ich den Sonnenuntergang liebe, oder den Mondschein,
und ohne vom Augenblick mehr festhalten zu wollen als den Wunsch,
er möge dauern.

(Fernando Pessoa)








Kalendergedicht, Montag, 28. März 2016




OSTERN

Ostern, Ostern, Frühlingswehen!
Ostern, Ostern, Auferstehen,
Aus der tiefen Grabesnacht;
Blumen sollen fröhlich blühen,
Herzen sollen heimlich glühen,
Denn der Heiland ist erwacht.


Anna Behrens-Litzmann (1850-1913)








Und daß dich einer liebt...




Und daß dich einer liebt,
daß man dich anders lieben kann
als im Vorübergehen,
das nimmt dich wunder.

(Hilde Domin)








 
 

 
Foto: Tim Maas


 







Sonntag, 27. März 2016

Das Wichtigste ist...




Das Wichtigste ist, im Kern einen unzerstörbaren Teil Selbst zu bewahren, egal wie klein.
Damit kann man auch Unvorstellbares durchstehen.

(alphabetismus)
 
 
 
 
 
 
 
 

Mandelblüte





Mandelblüte

Vom Mandelbaum nur eine einz'ge Blüte,
Dazu ein Brieflein dunkelblau Papier
Mit hundert Wünschen, daß mich Gott behüte ...
Von wem ist's anders als von dir?
Das ganze Zimmer öffnet sich der Blüte,
Dem holden Gruß mein innigstes Gemüte! ..
O weh, wie sehnt es mich nach dir!

Ludwig Jacobowski (1868-1900)









Foto: Tim Maas










" ... vom Erdenstaub...





" ... vom Erdenstaub zu reinen, blauen Lüften
dringt weit der Blick in ersten Frühlingstagen,
und höher steigt der mächt'ge Sonnenwagen,
die Erde sehnt nach Blättern sich und Düften,
und heilige Geschichten uns dann sagen
was sich geahnet in des Herzens Klüften ..."

Achim von Arnim (1781 - 1831)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 









Wir haben keinen Grund...




Wir haben keinen Grund gegen unsere Welt Mißtrauen
zu haben, denn sie ist nicht gegen uns.


(Rainer Maria Rilke)








Kalendergedicht, Sonntag, 27. März 2016





OSTERN

Ostern, Ostern, Frühlingswehen!
Ostern, Ostern, Auferstehen
Aus der tiefen Grabesnacht!
Blumen sollen fröhlich blühen,
Herzen sollen heimlich glühen,
Denn der Heiland ist erwacht.

Trotz euch, höllische Gewalten!
Hättet ihn wohl gern behalten,
Der euch in den Abgrund zwang.
Konntet ihr das Leben binden?
Aus des Todes düstern Gründen
Dringt hinan sein ew'ger Gang.

Der im Grabe lag gebunden,
Hat den Satan überwunden -
Und der lange Kerker bricht.
Frühling spielet auf der Erden,
Frühling soll's im Herzen werden,
Herrschen soll das ew'ge Licht.

Alle Schranken sind entriegelt,
Alle Hoffnung ist versiegelt,
Und beflügelt jedes Herz;
Und es klagt bei keiner Leiche
Nimmermehr der kalte, bleiche
Gottverlassne Heidenschmerz.

Alle Gräber sind nun heilig,
Grabesträume schwinden eilig,
Seit im Grabe Jesus lag.
Jahre, Monde, Tage, Stunden,
Zeit und Raum, wie schnell verschwunden!
Und es scheint ein ew'ger Tag.


Max von Schenkendorf (1783-1817)









Will dir den Frühling zeigen...





Will dir den Frühling zeigen,
der hundert Wunder hat.

(Rainer Maria Rilke)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas









Samstag, 26. März 2016

Wie hoffnungsvoll...




Wie hoffnungsvoll ist der Einzelne doch immer wieder, 
wie wirklich, wie gutgewillt, wie reich, – 
wenn man dann die wirre trübe Menge sieht, 
begreift mans nicht, 
daß er sich in ihr so, gleichsam spurlos, 
verliert.

(Rainer Maria Rilke)








Kalendergedicht, Samstag, 26. März 2016





ANEMONEN AM OSTERSAMSTAG

Wie die Frauen
Zions wohl dereinst beim matten Grauen
Jenes Trauertags beisammen standen,
Worte nicht mehr, nur noch Tränen fanden,

So noch heute,
Stehen als in ferne Zeit verstreute
Bleiche Zionstöchter, Anemonen,
In des Nordens winterlichen Zonen.


Christian Wagner (1835-1918)









Freitag, 25. März 2016

Träume...



"Träume, Freund, enttäuschen nie."

(Erich Mühsam)







" ... es war im März...





" ... es war im März, in den ersten goldenen Tagen, wo die Sehnsucht 
nach dem heranziehenden Frühling fast noch süßer und mächtiger ist als die volle
Schönheit des Frühlings selbst; 
wo das Herz einen unaussprechlichen Zug in die Weite fühlt, 
wo die hellsten Träume von der Zukunft wach werden ..."


Ottilie Wildermuth (1817 - 1877)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas








Der Liebende nicht geladen





DER LIEBENDE NICHT GELADEN


Gläser heut ungespült
Linnen heut glatt
Lächeln heut ungefühlt
Lippe heut satt.

Von den Schuhen: die großen
Auf dem Stuhl: Ein Buch.
Wollene Hosen.
Man erwartet keinen Besuch.

(Bertolt Brecht)









Wenn man...




Wenn man einen Weg in die Zukunft kennt, soll man seine Zeit
nicht damit verlieren, Ungerechtigkeiten zu vermeiden; man muß
sie ganz einfach durch Handeln überwinden.

(Rainer Maria Rilke)








Kalendergedicht, Freitag, 25. März 2016






OSTERLIEDER - 1. CHARFREITAG

Herr, öffne uns den Blick für unsre Sünden.
Laß uns noch tiefer in den Abgrund sehn,
Daß wir dein Sterben mächtiger empfinden
Und deine Liebe inniger verstehn.

Laß unser Leben mitgekreuzigt werden,
O würd es niemals, niemals wieder wach!
Zieh unsre Herzen zu dir von der Erde,
Du bist erhöht, nun ziehe uns dir nach.



Cävilie Zeller (1800-1876)









Donnerstag, 24. März 2016

"das Kleine...





"das Kleine ist ebenso wenig klein, als das Große groß ist. 
Es geht eine große und ewige Schönheit durch die ganze Welt, 
und diese ist gerecht über die kleinen und großen 
Dinge verstreut ..."

(Rainer Maria Rilke)








Foto: Tim Maas








Der Albatros




   
DER ALBATROS

Oft kommt es dass das schiffsvolk zum vergnügen
Die albatros - die grossen vögel - fängt
Die sorglos folgen wenn auf seinen zügen
Das schiff sich durch die schlimmen klippen zwängt.

Kaum sind sie unten auf des deckes gängen
Als sie - die herrn im azur - ungeschickt
Die grossen weissen flügel traurig hängen
Und an der seite schleifen wie geknickt.

Der sonst so flink ist nun der matte steife.
Der lüfte könig duldet spott und schmach:
Der eine neckt ihn mit der tabakspfeife
Ein andrer ahmt den flug des armen nach.

Der dichter ist wie jener fürst der wolke -
Er haust im sturm - er lacht dem bogenstrang.
Doch hindern drunten zwischen frechem volke
Die riesenhaften flügel ihn am gang.

(Charles Baudelaire übersetzt von Stefan George)


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Denn das Schöne...





Denn das Schöne ist nichts
als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen,
und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht,
uns zu zerstören.


(Rainer Maria Rilke)









Die Vergangenheit...




Die Vergangenheit
hat mich gedichtet
ich habe
die Zukunft geerbt

Mein Atem heißt
jetzt

(Rose Ausländer) 









Foto: Tim Maas









Kalendergedicht, Donnerstag, 24. März 2016





Wird erst die Erde österlich
versammeln alle Hasen sich
in frühlinglichem Reigen.
Sie tanzen um den Grasgeruch
sehr "frey" und "hold". Das Hasenbuch
steckt doch in jedem Hasen.


Rainer Maria Rilke (1875-1926)








mit dir am tisch sitzen...




mit dir am tisch sitzen. sehen. wie du das besteck in die hand nimmst. traumversunken genießt. dir wein einschenken. das glas an den lippen. die überraschung eines augenblicks.
die geschichte schrieb uns bereits vor jahren. dich und mich. vieles änderte sich seitdem um uns. doch nicht dieses einzigartige unsagbare dich ersehnen

© Rea Revekka Poulharidou








Mittwoch, 23. März 2016

Wer einmal...





Wer einmal sich selbst gefunden hat, 
kann nichts auf dieser Welt
mehr verlieren.

(Stefan Zweig)
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Und dann...




Und dann, wenn die Zeit vorbei ist, finden wir uns wie heute,
und es ist wieder im Frühling.

(Jean Paul)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Laurencis





LAURENCIS

Ich gab dir einen Namen
Wie eine fromme Guirlande.

Darum will ich ihn
Nur immer liebend rufen.

Du siehst mich golden schimmern
Durch mein Abendherz.

Und nicht so trübe
Wie der Nebel es staubfällig färbt.

Meine Seele spielte Auferstehn,
Wenn Augen wie schlafende Täler lagen.

Und ich kenne alle Engel,
Denen habe ich von dir erzählt.

Es blüht die Aster meines Mundes
Mit deiner Lippen Rittersporn.

Und ich wache vor unserer Liebe
Denn ihre Küsse sollen Knospen bleiben.


(Else Lasker-Schüler)
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Manchmal...




Manchmal
ist das Leben so leise.
Dann sucht man es,
in der Erinnerung.

(Wortagent)
 
 
 
 
 
 
 
 

"O blaue Blume...




 
"O blaue Blume, wunderbar entsproßen,
verkünde meinem Herzen, was du bist!“
Da war’s, als hätt’ sie leise mir erschlossen:
„Ich bin dir das, was du in mir ersiehst.
Vermag mein Anblick Freude dir zu geben,
erschließt er dir noch eine Zauberwelt -
was klagst du dann, daß nimmer dir im Leben
mehr unverhoffte Lust vom Himmel fällt?!“

(Marie von Najmájer 1844-1904) 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Weil es seit drei Tagen regnet...




Weil es seit drei Tagen regnet
nahezu lautlos landregnet
greife ich nach meinen drei Farbstiften
blau gelb grün
und bringe einen Himmel
darin eine Sonne
und darunter eine Löwenzahnwiese
aufs Papier -
der rote Fleck auf der Wiese,
vergossener Wein.

(Rainer Brambach)









Wir aber...




Wir aber, die wir uns Gott vorgenommen haben,
wir können nicht fertig werden.


(Rainer Maria Rilke)








Kalendergedicht, Mittwoch, 23. März 2016




BÄUME IM FRÜHLING

Wie die Bäume rings doch den blauen
Himmel mit ihren Kronen verbauen,
diese rauschenden Wolken von Grün!
Und dies Funkeln, dies weiße, dazwischen,
Sind das noch Sterne oder die frischen
Blüten schon, die aus dem Dunkel sprühn?


Stefan Zweig (1881-1942)








(...) Weil du nicht da bist...




(...)
 
Weil du nicht da bist
und uns nicht in den Arm nimmst
um uns vor uns selber
zu trösten

(Hilde Domin)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Dienstag, 22. März 2016

Das Buch aus Wasser




 
DAS BUCH AUS WASSER


 im Buch aus Wasser
steht nichts mehr geschrieben.

Es ist durchsichtig,
und blättert man es um,

rinnt einem nur noch das Wasser
über die Finger.

Das Buch aus Wasser ist dunkel,
wenn die Dunkelheit kommt,

und es ist mit der Helligkeit
hell. Ich möchte mir

mit dem Buch aus Wasser
die Füße waschen,

und ich gieße die Blumen
mit diesem Buch.


(Choi Seung-Ho)








Es gibt Augenblicke...




 
Es gibt Augenblicke, 
in denen eine Rose wichtiger ist,
als ein Stück Brot.


(Rainer Maria Rilke)










Foto: Tim Maas









Kalendergedicht, Dienstag, 22. März 2016




GEBET

O Jesu laß mein Herz rein
Ein dir geweihter Tempel sein.
Stell einen Engel vor die Thür
Als Wächter, welcher für und für
Vom frühen Morgen bis zur Nacht
Des Tempels Eingang treu bewacht,
Und jedem Feind den Eingang wehrt,
Der sich der Herzenspforte nährt.


Emma von Brandis-Zelion (1840-1909)









Alle Wirklichkeit....





Alle Wirklichkeit 
beginnt im Inneren.

(Hermann Josef Schmitz)






Foto: Tim Maas











Montag, 21. März 2016

Abendgebet eines Zauberers





ABENDGEBET EINES ZAUBERERS


Linke Hand, hier nichts, da nichts.
Jackenärmel –
kein doppelter Boden.
Taschentücher
rot blau grün
Taschentücher
fliegt
Vogeltücher
trocknet
alle Tränen
dieser kleinen unbekannten Stadt.


(Günter Bruno Fuchs)









Immer dem Fuchsbalg nach




 
IMMER DEM FUCHSBALG NACH


Das vollkommene Gedicht
wird nie einer schreiben.

Es ist 11 Uhr vormittags
ich setze aus der Einfahrt
raus, ein Stück den Berg
rauf, winke meiner Frau
fahr die Straße runter und
in die Welt.

Das vollkommene Gedicht
wird nie einer schreiben.
Nicht hier, nicht
sonstwo, nicht auf
ein Blatt Papier
auf der Straße
an die Mauer
in Paris
in Peru
im Männerklo
im Wartesaal
auf eine Plakatwand
auf einen Stecknadel-
kopf. Nie wird jemand
das vollkommene Gedicht
schreiben.

Dafür 
 wollen wir
den Göttern
dankbar
sein.


(Charles Bukowski)









Ich muss mir...




Ich muss mir die Fähigkeit erwerben, immer zu arbeiten;
d.h. in allem, was mir begegnet, Anforderung, Aufgabe,
Anspruch an künstlerischer Verwirklichung zu sehen.

(Rainer Maria Rilke)








(...) Ich will...




 
(...) 

Ich will
an meiner Sehnsucht
mich betrinken
und trink doch nur
den grauen Himmel leer.

(Jost Renner) 








Foto: Tim Maas








Kalendergedicht, Montag, 21. März 2016



 
FRÜHLINGSSONNE


Frühlingssonne tritt mit Funken
Aus den Wolken; Merzluft weht.
Tief am Berg, im Wald, dem dunkeln,
Und am Strom der Schnee zergeht.
Veilchendüfte, Lerchenschall,
Glanz und Jubel überall.
O wie wonnig,
O wie sonnig,
Wenn der Frühling aufersteht!

Möchte nun ein Vogel werden,
In den Himmel fliegen ein,
Und doch von dem Glanz der Erden
Kann ich gar nicht mich befrein.
O mein Schatz, so anmutreich,
Erd' und Himmel mir zugleich,
Stern und Sonne,
Qual und Wonne,
Könnt' ich nunmehr bei Dir sein!



Julius Rodenberg (1831-1914)








Jedem Anfang...




Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
und jedem Ende eine Wehmut.

© Prof. Dr. Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Wehmut...




Wehmut will uns zwingen zuweilen
zu gedenken, wie es verrann...

(Rainer Maria Rilke)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Foto: Tim Maas