So viele Welten
in der einen großen Welt
so viele Schicksale
unter dem einen Himmel
so viele Puzzelteile
im ewigen Spiel des Lebens
wo ist Anfang wo ist Ende
wo ist dein Platz
aufgehoben
im Gefüge aller Welten
- Annemarie Schnitt -
Gesammelte Lyrik
So viele Welten
in der einen großen Welt
so viele Schicksale
unter dem einen Himmel
so viele Puzzelteile
im ewigen Spiel des Lebens
wo ist Anfang wo ist Ende
wo ist dein Platz
aufgehoben
im Gefüge aller Welten
- Annemarie Schnitt -
Träume
Nichts weiter als träumen
als dich träumen
als deinen Schatten zu sehen
an der Wand
der Träume und dich lieben
zu lieben noch
auf die allertraurigste Art.
Aber nein
Viel weniger
viel weniger oder nichts
als irgendein Almosen
wär schon genug.
- Idea Vilarino -
ich kann maiglöckchen pflücken
während du schläfst
denn ich weiss, wo sie wachsen.
und mein wahres zuhause
mit seinen türen und steinen
bleibe fern,
dass ich es nicht mehr wiederfände,
und durch die wälder
irrte
in alle ewigkeit –
während du schläfst
und die maiglöckchen wachsen
ohne unterlass.
- antonia pozzi -
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Foto: Tim Maas |
Unmerklich reiht sich Tag an Tag.
So bist du entstanden, Vergangenheit.
Yosa Buson (1715-1783)
Rückkehr des Dorfjungen
In meiner Jugend war die Welt ein kleiner Teich,
Großmutterchen und rotes Dach, Gebrüll
Von Ochsen und ein Busch aus Bäumen.
Und ringsumher die große grüne Wiese.
Wie schön war dieses In-die-Weite-Träumen.
Dies Garnichtssein als helle Luft und Wind
Und Vogelruf und Feenmärchenbuch.
Fern pfiff die fabelhafte Eisenschlange
- Alfred Lichtenstein -
Mein grünes Herz
Mein grünes Herz tanzt
an der Innenseite der
Regenbogen. Die Möven
meines Verstandes lassen
sich nieder. Manchmal
bist du perlgrau und
versunken. Manchmal
bist du so weit: da
muss ich dein Lächeln aus
wiegenden Zweigen lösen.
Oh triefende Nacht.
- Friederike Mayröcker -
Selbstvergessenheit
Der Strom - floss,
Der Mond vergoss,
Der Mond vergaß sein Licht - und ich vergaß
Mich selbst als ich so saß
Beim Weine.
Die Vögel waren weit,
Das Leid war weit,
Und Menschen gab es keine.
- aus dem Chinesischen von Klabund -
Du
Tötest alle Dezembernesseln
Mit März
Mein Herz rufet schon Hyazinthen
Süss-süsser Rausch
Vergehen
Aus allen Augen duften Narzissen
Mir
Weinen Lachen
Und Taumel
Ich scheine Sonne
Hin-gebend
Demut
Du kommst!
Claire Goll (1890-1977)
Meine Wiese du
Mit Aprikosenlippen!
Im stillen Wasser deiner Augen
Wippen zwei Bachstelzen,
Und ich bade
Meine müde Seele drin.
(...)
Yvan Goll (1891-1950)
Wach nenne ich den,
der mit dem Verstand und Bewußstsein sich selbst,
seine innersten unvernünftigen Kräfte,
Triebe und Schwächen kennt
und mit ihnen zu rechnen weiß
- Hermann Hesse -
"Sie begann zu verstehen, was Menschen, die Gedichte liebten, darin fanden.
Sie fanden die Dinge, die ihre Bedeutung behielten, wenn der Schrecken und die Gefahr des Lebens drohend bervorstanden."
- Vita Sackville-West -
BEGLAUBIGUNG
Gegen Abend
die Singvögel schweigen
bitt' ich noch einmal
die Wörter zu mir.
Um geschehen oder un-
geschehen zu machen
was war.
- Klaus Merz -
Falbes Gras,
schwarzes Brachland,
so weit ich sehn kann.
Dazwischen,
mitten in den weissen Horizont hinein,
wie erstarrt,
eine Weidenreihe.
Ich bleibe stehn.
Nirgends ein Laut. Noch nirgends Leben.
Nur die Luft und die Landschaft.
Und sonnenlos, wie den Himmel, fühl ich mein Herz!
Plötzlich ein Klang,
Ich starre in die Wolken.
Über mir,
jubelnd,
durch immer heller werdendes Licht,
die erste Lerche!
Arno Holz (1863-1929)